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Von – 28. Dezember 2015

„Das Christentum braucht das Alte Testament“

Braucht die Kirche das Alte Testament? Nein, meint ein Berliner Theologieprofessor, das sei doch lediglich das Zeugnis einer kleinen Stammesreligion ohne allgemeinen Anspruch. Der Frankfurter Theologe Friedhelm Pieper widerspricht deutlich: Das Alte Testament gehöre ebenso zum Christentum wie das Neue.

Friedhelm Pieper bei seinem Vortrag in Frankfurt. Foto: Rolf Oeser

Friedhelm Pieper bei seinem Vortrag in Frankfurt. Foto: Rolf Oeser

Theologische Fachvorträge erfreuen sich nicht immer einer regen Zahl von Besucherinnen und Besuchern, wenn sie fernab der Universitäten stattfinden. An diesem Abend ist das anders. Der kleine Saal im Frankfurter Haus am Dom ist gut gefüllt, als Pfarrer Friedhelm Pieper vom Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ans Pult tritt.

„Welche Bedeutung hat das so genannte Alte Testament für die Christen?“ ist sein Referat überschrieben. Das Thema berührt direkt das Verhältnis von Christentum und Judentum und ist derzeit von einer gewissen Brisanz, weil der Berliner Professor Notger Slenczka dazu hoch umstrittene Ansichten vertritt. Im Oktober 2013 erschien seine Abhandlung „Die Kirche und das Alte Testament“, in der er sich an eine These des Kulturprotestanten Adolf von Harnack anschließt. Danach soll das Alte Testament in der Kirche keine ­kanonische Geltung haben, sondern es sei unter die Apokryphen, also die nicht zum offiziellen Glaubenskanon gehörenden Schriften einzureihen.

In der evangelischen Kirche tobt seitdem ein Streit um den ersten Teil der Bibel. Gehört er überhaupt zur Heiligen Schrift? Slenczka fasst die Überzeugungen seiner Gewährsleute in markanten Sätzen zusammen: „In seiner Gänze ist das Alte Testament kein Zeugnis der Universalität des Gottesverhältnisses, sondern ein Zeugnis einer Stammesreligion mit partikularem Anspruch.“ Diese These klingt nicht nur für jüdische Ohren abwertend, sondern auch für zahlreiche Christinnen und Christen.

Friedhelm Pieper hatte im Frühjahr 2015 den Disput noch einmal befeuert, als er Slenczkas Thesen entschieden öffentlich zurückwies. Im Haus am Dom führt er erneut aus, warum er nicht damit einverstanden ist, das Alte Testament im Rang unter das Neue zu stellen. „Diese im Kern feststehende Schrift war für die Urkirche allein Heilige Schrift. Die Schriften des Neuen Testaments entstanden dann nach und nach in den ersten zwei Jahrhunderten und sie beziehen sich durchgängig auf dieses erste Testament… Diese Tatsache hat zu der bekannten Formel geführt: Juden und Christen gründen sich auf ein gemeinsames Buch.“

Die Texte des Alten Testaments seien wichtig für die christliche Identität. „Man denke etwa an die universale Wirkung der alttestamentlichen Exodusgeschichten. Man denke an die Aufnahme der Exodus-Motive, zum Beispiel in dem Kampf der Sklaven in Nordamerika um Anerkennung ihrer Menschenwürde.“ Er konstatierte eine „Schieflage der Diskussion“, die entstehe, „wenn man meint, die Textteile des ersten und des zweiten Testaments jeweils für sich als Ganzes einordnen und werten zu sollen“.

Im Anschluss an den Vortrag, zu dem die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit eingeladen hatte, äußersten sich viele Zuhörenden zustimmend. Eine Frau stand auf und sagte: „Ich kann mir meinen Glauben einfach nicht vorstellen ohne beide Testamente.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 28. Dezember 2015 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.