Was heißt Teilhabe, wenn eigentlich alles schon feststeht?
Wie veräppelt fühlten sich die Teilnehmenden gegen Ende der Diskussion „Urban Culture 21 – Kultur – Wandel Bockenheim“, zu der die Evangelische Akademie und der Bund Deutscher Architekten ins Studierendenhaus auf dem Bockenheimer Campus eingeladen hatten: Nachdem sie sich drei Stunden lang über Ideen zum Kulturcampus Bockenheim ausgetauscht hatten, teilte ihnen der Sprecher der Grünen im Ausschuss Planen, Bauen und Wohnen der Stadt, Ulrich Baier, mit, dass der Bebauungsplan für den Kulturcampus 2018 längst feststehe; nur die Außenanlagen seien noch nicht verplant.
Dabei hatten die Diskussionsteilnehmer – Architekten, Vertreterinnen von Institutionen und Stiftungen – gerade einen runden Tisch für alle Beteiligten gefordert, möglichst viele offene Räume und Orte der Begegnung auf dem Campus. Heiner Blum, Konzeptkünstler und Professor an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, hatte betont, wie wichtig unverplante Spielräume seien, weil sich Kunstschaffende am wohlsten an Orten fühlten, die „noch nicht fertig“ sind. Esther Gebhardt, die frühere Vorsitzende des Evangelischen Regionalverbandes, hatte herausgestrichen, dass der Kulturcampus eine „Jahrhundertchance“ sei. Das müsse man klar kommunizieren, um in Zeiten, wo eigentlich jeder Meter für sozialen Wohnungsbau benötigt wird, rechtfertigen zu können, dass man dieses große Gelände für Kultur nutzen will.
Thomas Rietschel, Präsident der Hochschule für Gestaltung, die sich auf dem Campus ansiedeln wird, brach eine Lanze für die „traditionelle Ausbildung“ seiner Institution. Auch Theater und Oper hätten ihre Berechtigung, auch wenn sie nur einen kleinen bürgerlichen Kreis ansprächen. Der Kulturcampus solle aber ein möglichst offener Ort der Begegnung sein, wo Studierende und Künstler aus dem In- und Ausland, Wissenschaftlerinnen und Menschen aus Bockenheim und ganz Frankfurt sich treffen.
Linda Reisch (SPD), ehemalige Frankfurter Kulturdezernentin, beschrieb, wie in einem Berliner Musikkindergarten Kinder aller Schichten vor allem über Musik (und nicht über Sprache) Zugang zu Bildung fänden. Kunst und Musik müssten „selbstverständlich dort sein, wo Kinder und Jugendliche sind“ – also in Kindergärten und Schulen, auch über den Kulturcampus hinaus.
„Teilhabe ist Ansehen, Anhören und eigene Gestaltungsmöglichkeiten“, betonte auch Melanie Wald-Fuhrmann, wissenschaftliches Mitglied und Direktorin am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik. „Für viele Menschen ist das Hinkommen zur Kultur ein Problem.“ Deshalb müssten architektonisch offene Räume geschaffen werden, die den Zugang erleichtern. Frauke Burgdorff vom Vorstand der „Montag Stiftung urbane Räume“ aus Bonn, empfahl, den Bebauungsplan der Stadt „produktiv zu stören“. Thomas Rietschel schrieb eifrig mit. Da ließ das Gefühl, veräppelt zu werden, ein wenig nach.