Führen wachsende Sicherheitsvorkehrungen langfristig eher zu einem Verlust des Sicherheitsgefühls? Und wie kann der Glaube gegen Angstmacherei helfen? Eine Vortragsreihe in der evangelisch-reformierten Gemeinde im Westend geht dem Thema Sicherheit und Unsicherheit nach.
Mit seinem Beitrag „Gottvertrauen – zwischen Sicherheitswahn und Gelassenheit“ eröffnete Pfarrer Werner Schneider-Quindeau eine Reihe von Wintervorträgen zum Thema „Sicherheiten“ in der evangelisch-reformierten Gemeinde im Frankfurter Westend.
Das Sicherheitsbedürfnis der Menschen im Hinblick auf Terror und Flucht sei paradoxerweise in denjenigen Ländern besonders groß, in denen ohnehin ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet ist, so der ehemalige Stadtkirchenpfarrer an St. Katharinen und einstige Vorsitzende des „Fördervereins Fritz-Bauer Institut“ mit der Feststellung ein. Führen wachsende Sicherheitsvorkehrungen also langfristig eher zu einem Verlust des Sicherheitsgefühls? Schränken sie demokratische Grundwerte wie Freiheit und Toleranz eher ein als dass sie sie stärken?
Die einführende These des Theologen: Eine gelassene Balance zwischen Sicherheit und Freiheit sei ohne Gottvertrauen nicht zu haben. Davon aber sind wir relativ weit entfernt. Die USA zum Beispiel reagierten auf die Anschläge vom 11. September 2001 mit dem „Patriot Act“, der demokratische Werte dem Streben nach Sicherheit unterordnet: So wurden die Häftlinge in Guantanamo ohne richterlichen Beistand als Sicherheitsrisiko eingestuft und unter Missachtung der Antifolterkonvention von 1984 der grundlegendsten Menschenrechte beraubt, kritisierte Schneider-Quindeau. Wie viele Rechte darf ein Rechtsstaat außer Kraft setzen, um seine Bürger und Bürgerinnen zu schützen?
Das Geschehen sei durchaus vergleichbar mit der biblischen Geschichte, so der Theologe. Auch Jesus sei in den Augen der römischen Machthaber ein Sicherheitsrisiko gewesen, dem zur Abschreckung kurzer Prozess gemacht wurde: Zwischen zwei Räubern am Kreuz gestorben, eine Mahnung für alle und eine imperiale Geste zur Bestärkung der öffentlichen Ordnung, auch eine Art, dem Sicherheitsbedürfnis anderer Rechnung zu tragen.
Unsicherheit und Ängste jedoch werden laut Schneider-Quindeau durch die Hinwegsetzung über Menschenrechte, wie wir sie heute haben und kennen, erhöht. Ebenso wie Vertrauensmaßnahmen einen rechtlichen Rahmen brauchen, brauchen Sicherheitsmaßnahmen eine rechtliche Begrenzung. Eine Orientierung hierfür sei in der Bibel zu finden: Jesus begegnete der Gewalt nicht mit Gegengewalt, sondern warb um Vertrauen. Die Geschichte seines Lebens, Sterbens und seiner Auferstehung sei „eine riesige vertrauensbildende Maßnahme“. Die Passionsgeschichte wolle Mut machen, für sich selbst an die Stelle des aus dem Ruder laufenden Sicherheitsbedürfnisses, das wiederum in Gewalt mündet und Gewalt provoziert, ein heilsames Gottvertrauen zu setzen.
Gelassenheit und Gottvertrauen gelten jedoch weithin mehrheitlich als Schwäche und Lebensfremdheit denn als praktikable und kluge Lebenshaltung – schon gar nicht angesichts der Gewaltbereitschaft von Terroristen. Es gehe jedoch gerade darum, den eigenen Glauben nicht als Privatangelegenheit zu betrachten, sondern als gestalterische Kraft, als weltumwandelndes Potenzial.
Weitere Vorträge in der Reihe folgen jeweils donnerstags am 11. und 25. Februar. Am 11. Februar spricht die Psychoanalytikerin Soheila Kiani-Dorff über „Das trügerische Gefühl von Sicherheit“, und am 25. Februar der Ökonom Christian Kopf über Sicherheit und Unsicherheit auf den Kapitalmärkten. Beginn jeweils um 20 Uhr im Gemeindezentrum im Westend, Freiherr-vom-Stein-Straße 8. Info: www.evref.de.