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Von – 10. März 2016

Hass aus der Tastatur

Hasskommentare, demokratiefeindliche Propaganda und Diskriminierung verbreiten sich rasch und können auch den Boden für physische Gewalt bereiten. Wie gelingt es, präventiv gegen digitale Hetze vorzugehen?

Hass gegen Minderheiten entsteht nicht erst durch das Internet. Aber dort kann er sich besonders gut austoben. Foto: Rolf Oeser

Hass gegen Minderheiten entsteht nicht erst durch das Internet. Aber dort kann er sich besonders gut austoben. Foto: Rolf Oeser

Ein Busfahrer lässt sich filmen mit der Ansage: „Alle Flüchtlinge einsteigen, wir fahren nach Auschwitz.“ Das Video stammt aus einer geschlossenen Facebook-Gruppe, es wurde aber in dem sozialen Netzwerk vielfach geteilt – bis die Polizei eingriff. Der Inhalt des Clips ist volksverhetzend und strafbar.

Das ist nur ein Beispiel von vielen „Hass-Postings“ gegen Flüchtlinge, die seit Monaten im Netz gestreut werden, begleitet von Zuspruch und weiteren Hasskommentaren. „Hast du das noch im Griff, Mark?“ fragte der ZEIT-Autor Johannes Gernert vergangenen Herbst in einem offenen Brief an den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Darin ging es um die tägliche Hetze in den Timelines und Kommentarspalten, auf Youtube und Twitter.

Hasskommentare, demokratiefeindliche Propaganda und Diskriminierung verbreiten sich rasch und können auch den Boden für physische Gewalt bereiten. Wie gelingt es, präventiv gegen digitale Hetze vorzugehen? Was ist zu tun, wenn sie trotzdem vorkommt? Welche Strategien sind nutzbar, um gegen solche Webinhalte vorzugehen? Um diese Themen ging es bei 24-Stunden-Tagung der Evangelischen Akademie im Haus der Jugend in Sachsenhausen, die Leitung hatte Stina Kjellgren, Studienleiterin der Akademie für Europa und Jugend.

Rund 30 Männer und Frauen waren gekommen, viele von ihnen jung und politisch engagiert. „Wir erleben immer mehr Jugendliche, die sich gar nicht mehr an eine Zeit vor dem Web 2.0. erinnern können“, sagte einer aus eigener Erfahrung. In Echtzeit Inhalte hochladen, teilen und kommentieren, das ist seit ungefähr zehn Jahren möglich, erst damals waren die Serverkapazitäten groß genug, um die Datenmengen zu bewältigen, die Soziale Netzwerke benötigen.

Anfänglich war die Hoffnung groß, dass mit der interaktiven Kommunikation in Blogs, auf Facebook oder in anderen Netzwerken mehr Demokratie entsteht und interessante politische Debatten geführt werden. Schließlich können sich hier alle Menschen direkt beteiligen, und nicht nur gewählte Politiker oder Journalistinnen mit Zugang zur Medienwelt. Doch inzwischen sind die Erwartungen deutlich gedämpft. Wo alle mitreden, so zeigt, sich, dominieren schnell diejenigen, die am lautesten schreien, die die simpelsten Lösungen anpreisen und die keine Hemmungen haben, andere anzupöbeln. Zumal viele Seitenbetreiber anfangs bösartige Kommentare kaum oder sehr zögerlich gelöscht haben.

Der „Hass aus der Tastatur“ richtet sich keineswegs nur gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen Migranten, Politikerinnen, Homosexuelle, Gläubige aller Religionen, aber auch gegen den Nachbarn oder die Vereinsvorsitzende. Hinter den Computerbildschirmen fühlen sich die Hetzer offenbar unangreifbar, viele schreiben nicht einmal anonym, sondern ganz unverhohlen mit Klarnamen, Wohnort- und Arbeitgeberangaben.

„Hass gegen Minderheiten ist kein Internetphänomen“, machte Stina Kjellgren deutlich. „Es gab ihn schon immer. Nur bekommt er durchs Internet eine neue Sichtbarkeit.“ Diskutiert wurden auf der Tagung auch Möglichkeiten, diskriminierende Kommentare mittels technischer Lösungen zu verhindern, zu löschen oder zu ahnden.

„Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass es sich bei den Hetzern nicht um in Ärgernis des Internetzeitalters, sondern um Menschen aus Fleisch und Blut handelt“, sagt Kjellgren. Was den Hass umso gefährlicher macht.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 10. März 2016 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.