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Von – 1. März 2016

Protestantismus und Emigration: ein altes Lied

Was heute aus dem Irak geflohene Christen oder Yeziden sagen könnten, sangen vor 300 Jahren fromme Protestanten. 

Josef Schaitberger schrieb das "Exulantenlied".

Josef Schaitberger schrieb das „Exulantenlied“.

„Ich bin ein armer Exulant, also muss ich mich schreiben;
Man tut mich aus dem Vaterland um Gottes Wort vertreiben.“

Wenn die umständliche Sprache nicht wäre, könnte das eine Notiz aus einer aktuellen Flüchtlingsunterkunft sein. Geschrieben wurde der Text freilich vor 330 Jahren, also 1686. Was heute aus dem Irak geflohene Christen oder Yeziden sagen könnten, sangen damals fromme Protestanten. Die waren aus dem Salzburger Land vertrieben worden, weil der katholische Erzbischof solche kulturellen Fremdlinge in seinem Herrschaftsgebiet nicht dulden wollte. Schließlich verweigerten sie sich den gemeinsamen Werten und Sitten wie der Fronleichnamsprozession und feierten heimlich und isoliert ihre Gottesdienste. Also sollten sie weg, und an späteren Familiennachzug war nicht zu denken:

„So geh ich fort aus meinem Haus, die Kinder muss ich lassen.
Mein Gott, das treibt mir Tränen aus, zu wandern fremde Strassen.“

Eine Wanderung vermutlich unter Entbehrungen und mit knappen Vorräten. Denn weil die konfessionellen Fürstentümer im Deutschen Reich vereinbart hatten, echte Glaubensflüchtlinge dürften ihr Hab und Gut mitnehmen, machte der Fürsterzbischof seine Protestanten in der Propaganda zu gefährlichen Aufrührern – heute würde man von ‚Terroristen‘ sprechen. Zum Glück ließen sich einige aufnahmebereite Länder in Deutschland nicht irre machen. So fanden viele Salzburger Bergbauern aus den bis 1732 andauernden Fluchtwellen unerwartet eine Heimat im fernen Ostpreußen, ja sogar an dem ihnen gänzlich unbekannten Meer – der Ostsee. Und weil sie entvölkerte Gebiete belebten und unbeackerten Boden fruchtbar machten, bekamen sie Land zugeteilt und Steuern erlassen – zum Glück war das Wort “Sozialschmarotzer“ noch nicht erfunden. Sie passten sich an und wurden so deutsch, dass sie sogar einen ‚Verein der ehemaligen Salzburger‘ gründeten; den gibt es bis heute. Offenbar hat die Hoffnung aus dem alten Lied nicht getrogen:

„Muss ich gleich in das Elend fort, so will ich mich nicht wehren.
Ich hoffe doch, Gott wird mir dort auch gute Freund bescheren.“

Bleibt der im besten Sinne fromme Wunsch, dass eine solcher Willkommenskultur auch 330 Jahre später verlässlich zu finden ist.

PS: Das „Exulantenlied“, eine Art Hymne der vertriebenen Salzburger Protestanten, stammt von dem Flüchtling Joseph Schaitberger.  Die Legende will wissen, dass Johann Sebastian Bach seine Kantate „Brich dem Hungrigen Dein Brot“ Salzburger Glaubensflüchtlingen gewidmet habe.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. März 2016 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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