Die Bibel ist voll traumhaft schöner Wünsche. Da ist etwa der Wunsch, sich auf Händen tragen zu lassen.
Warum können Wünsche tief berühren? Es hat mit der Kraft der Bilder zu tun. Mich zumindest rührt das Bild aus dem 91. Psalm an: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“
Streng genommen müsste ich als moderner Zeitgenosse immun gegenüber Engeln sein und anderen märchenhaft anmutenden Vorstellungen, an denen oft als kitschig verschriene Wünsche hängen. So schritte ich mit nichts anderem als Vernunft durchs Leben. Und wäre wunschlos unglücklich.
Nein, lieber zähle ich mich zu den Glücklichen, weil ich noch Wünsche habe und an Bildern hänge wie diesem: Einer Braut kann es geschehen, auf Händen getragen zu werden. Am Hochzeitstag wird sie über die Türschwelle getragen. Aber ein ganzes Leben kann selbst der stärkste Bräutigam der Welt die Braut nicht tragen. Er ist nur ein Mensch und hat im Geheimen womöglich ebenfalls den Wunsch, getragen zu werden.
Wohl dem, der sich auf das Heer der himmlischen Heerscharen verlassen kann, dessen Größe die Bibel einmal mit Tausend mal Tausend beziffert hat: Da wird schon ein Engel aufzutreiben sein, der trägt. Besonders schön: Der Wunsch vergisst das Winzige nicht. Fast witzig klein erscheint der Gewinn, den die märchenvielen Himmelswesen bescheren. Der Fuß soll nicht an einen Stein stoßen.
Wer schon einmal mit dem Zeh gegen einen Stein gestoßen ist, wird darüber nicht lachen, sondern sich freuen: Dem Herr des Himmels mitsamt seinem Heer ist kein Zeh zu unbedeutend, als dass er ihn nicht sicher tragen wollte.
Von Georg Magirius ist das Buch erschienen „Gute Wünsche aus der Bibel“, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2016.