Wortakrobatik, Liebe, Tod, Sinnsuche und Gesellschaftskritik – in der Jugendkulturkirche inszenierten sechs „Slammer“ ihre selbst geschriebenen Texte.
Rotes und blaues Licht, Stühle und Sessel locker aufgereiht, hinten eine kleine Bar. Das Publikum kommt in Cliquen: Mädchen und Jungen im Konfirmandenalter und junge Studierende. Allein der Moderator ist ein Ereignis: Dalibor Markovic, ein Beatboxer, der den kleinen Auffahr-Unfall, der ihm kurz vor der Show passiert ist, zum Running Gag des ganzen Abends macht.
Das Veranstaltungsformat „Poetry Slam“ – zu Deutsch: Dichterwettstreit – entstand 1986 in Chicago und verbreitete sich rasch weltweit. In Sankt Peter treten aber erstmal zwei musikalische Gäste auf: Sie nennen sich „Lumpenpack“, kommen aus Stuttgart und begeistern das Publikum mit ihrer Alltagskomik. Dann inszenieren sechs „Slammer“ selbst geschriebene Texte, die sich manchmal reimen, meist aber nur rhythmisch gesprochen werden.
Anke Fuchs, Mitte 20, aus Bonn, erzählt, sie wäre gerne mal schwanger, ohne ein Kind haben zu müssen, würd’ sich gern umbringen, ohne tot sein zu wollen, inszeniert die Lust am Abgrund. Raban Lebemann slammt den Tremor in seiner Hand und Dennis Schulz, ein Physikstudent, trägt „Fun Facts“ vor, weil er sich über jemanden geärgert hat, der die Natur so zauberhaft findet, dass er sie nicht wissenschaftlich auseinandernehmen will. Zum Beispiel Stadt-Krähen, die so intelligent seien, dass sie in der Rotphase von Ampeln Nüsse auf die Straße legten, damit sie in der Grün-Phase von den darüber fahrenden Autos geknackt würden, um sie in der nächsten Rotphase aufpicken zu können.
Sein Vortrag gefällt dem Publikum so gut, dass er Sieger in der ersten Runde wird. Abgestimmt wird mit Applaus. Wer am lautesten beklatscht wird, gewinnt den Poetry Slam in Sankt Peter. In der Pause legt DJ Sherm da Worm auf. Das Publikum diskutiert, lacht, amüsiert sich.
Die zweite Runde beginnt mit einem älteren, versierten Slammer: Wolf Hogekamp trägt 15 Cuts, also kurze Stücke, vor, die verschiedene Haltungen und Worthülsen zum Thema Flüchtlinge gegeneinander schneiden und entlarven. „Mein Nachbar sagt“, slammt er etwa, „es werden immer mehr. Bald müssten wir ja unsere Frauen schützen.“
Mega Martin macht erstmal klar, dass Liebeslyrik keine Mädchenlyrik ist („Das ist sexistische Kackscheiße“) – und reimt dann los, über Liebe. Ansgar Hufnagel schließlich erzählt ernst, offen und poetisch von seinen Ängsten und von Wünschen: „Ich möchte das Alphabet des Lebens lernen“.
Poetry Slam in Sankt Peter: Dalibor Markovic lobt alle, die auf der Bühne standen: „Sie haben ihre Texte, ihre Ideen und ihre Gefühle mit uns geteilt.” Aber gewinnen kann eben nur einer: Im Finale schlägt Dennis Schulz Wolf Hogekamp.
Die Bibel sagt er, passt auf keine Kuhhaut. Außer vielleicht in Fünf- oder Sechs-Punkt-Schrift. Aber an ein Leben nach dem Tod könne er nicht glauben. „Dieselben Pappnasen wiedertreffen? – Bitte nicht. Und was ist mit dem Leben nach dem Leben nach dem Tod? Geht das dann immer so weiter?“