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Von – 25. April 2016

Die Wirkung der Verschleierung

Die Religionswissenschaftlerinnen Jasmin Munoz und Alia Hübsch-Chandry erforschen die Wahrnehmung des Kopftuchs unter Nicht-Muslim_innen. Im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum stellten sie ihre Thesen vor.

Kopftuch muss nicht langweilig sein: Muslimisch inspirierte Designermode bei der Londoner Fashion Week im Februar.?Foto: picture alliance/Photoshot

Kopftuch muss nicht langweilig sein: Muslimisch inspirierte Designermode bei der Londoner Fashion Week im Februar. Foto: picture alliance/Photoshot

Es ist zwölf Mal dieselbe junge Frau. Einmal hat sie ein Tuch locker um den Kopf geschlungen und trägt eine Art Tracht, ein anderes Mal ist der Mund bedeckt. Ein Bild zeigt sie mit Business-Jacket und Kopftuch, auf anderen ist sie mit farblich aufeinander abgestimmten Tüchern, Ohrringen und eng anliegender Kleidung zu sehen. Wieder andere zeigen sie in blauer Burka oder im schwarze Ganzkörper-Niquab.

Die Fotos haben die Religionswissenschaftlerinnen Jasmin Munoz und Alia Hübsch-Chandry im Rahmen ihrer Bachelorarbeit männlichen und weiblichen Testpersonen ohne muslimischen Hintergrund vorgelegt und sie zu ihren Eindrücken befragt. Ergebnis: Extreme Selbstinszenierung und extreme Verschleierung wurden als angepasst, gekünstelt oder unmündig empfunden, während gemäßigte Verschleierung oder Trachten den Testpersonen authentisch und glaubwürdig vorkam. Im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum stellten Munoz und Hübsch-Chandry ihre Forschungen „Zum Wirkungspotenzial von Verschleierungsformen“ vor und stellten sich der Diskussion mit dem zum Teil sehr kritischen Publikum.

Die Geschichte der weiblichen Verschleierung reicht weit zurück, erläuterte Hübsch-Chandry. Frühe Abbildungen aus Mesopotamien zeigten verschleierte Muttergottheiten. Im antiken Griechenland hätten verheiratete Frauen aus der Oberschicht Schleier getragen: als Zeichen ihres Status und ihrer „Unverfügbarkeit“. Mit der französischen Revolution fand im Westen eine Verschiebung statt: Seitdem stehe hier das „Verschleiern“ als Symbol für Lüge und Gefahr.

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Alia Hübsch-Chandry (links) und Jasmin Munoz im Evangelischen Frauenbegegnungszentrum. Foto: Stephanie von Selchow

Muslimische Frauen, die ein Kopftuch oder andere Formen der Verschleierung tragen, berufen sich auf die 33. Sure im Koran, wonach Gattinnen „sich etwas von ihrem Gewand über den Kopf ziehen“ sollen, weil sie „so am ehesten erkannt und nicht belästigt“ würden. Fromme Musliminnen trügen Kopftuch aus „Liebe zu Gott“, sagte Hübsch-Chandry, es sei „eine Stufe der spirituellen Entwicklung“. Dass in manchen Ländern Frauen gezwungen werden, sich zu verschleiern, konterkariere die spirituelle Interpretation. Es gebe aber auch sehr konservative Frauen, die sogar die Burka aus Überzeugung trügen.

Kopfbedeckungen dürften im Übrigen durchaus schön sein, denn „Gott ist schön und liebt die Schönheit“ heiße es im Koran. Sie sollten nur nicht aufreizend sein, betonte Hübsch-Chandry.
Jasmin Munoz ging vor allem auf die Lebenspraxis ein. In Europa würden kopftuchtragende Frauen entweder mit Bedrohung oder Rückwärtsgewandtheit und Unterdrückung assoziiert. Bei einer Umfrage unter 6000 muslimischen Frauen aus 49 Herkunftsländern hätten jedoch 92,3 Prozent gesagt, sie trügen das Kopftuch aus religiöser Pflicht, 43,3 Prozent aus Gründen der Sicherheit, 36 Prozent, um als Muslimin erkannt zu werden, 21 Prozent aus Tradition, 15 Prozent zum Schutz vor Belästigung, 7,3 Prozent aus modischen Gründen, 6,7 Prozent, weil es der Partner will und 5,8 Prozent wegen der Familie.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 25. April 2016 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".

Kommentare zu diesem Artikel

  • Werner schrieb am 25. April 2016

    das geht ja nun in Ordnung, was für Kleidung auch immer. Ein Symbol für Gebunden, Wohlhabend oder sogar für sexuell Enthaltsam.
    Tatsächlich ist es hinsichtlich der Witterung in der orientalen Welt guter Sonnenschutz, im Winter auch in Europa sehr praktisch.
    Als religiöses Zeichen ist Tuch und Schleier aber unnütz, soweil ein Vertrag mit Gott verhindert, dass ich nicht bereit bin, die Kinder mit offenem Haar zu unterrichten.

  • Annabelle Lutz schrieb am 26. April 2016

    Interessanter Artikel. Ich finde das Tragen von Kopftüchern befremdlich. Es zeigt einfach die Unterwürfigkeit der Frau. Der Mann darf sich zeigen, wie er ist – die Frau muss ihr Haupt verstecken. Dagegen bin ich und viele andere, die für absolute Gleichberechtigung sind: egal ob i.d. Behandlung oder beim Aussehen von Mann & Frau.