In der Bibel finden sich traumhaft schöne Wünsche. Da ist etwa der nach Beständigkeit, der ermutigt, ohne Sonnenbrille durch die Welt zu gehen.
Manche Menschen tragen so dunkle Brillen, dass sie kaum noch Farben sehen. Die Welt zeigt sich ihnen im Einheitston. „Wir wollen uns schützen“, heißt es. Das Ergebnis lautet aber: Sie erkennen kaum noch Unterschiede, keine Gegensätze. „Nimm doch mal die Brille ab“, bitte ich. Tut der Bebrillte es, wird aus einem Schwarzseher schnell ein Schwarzmaler: „Furchtbar, dieses Sonnenlicht, all die grellen Farben.“
Ärgert mich diese Abwehr, weil ich zuweilen selber schutzbedürftig bin? Katastrophen und Enttäuschungen bleiben kaum jemandem erspart. Das lässt sich nicht überspielen und das tut auch die Bibel nicht. Sie erzählt offen davon, wie sich einmal alle Wolken öffneten. Der Boden war überflutet. So gut wie jedes Leben starb. Wie sollte es weitergehen? Konnte es überhaupt noch weitergehen? Die Bibel berichtet von keiner Traumatherapie für jene, die übrig blieben.
Stattdessen wird nüchtern gesagt, was in Zeiten des Wandels das Gefühl von Beständigkeit geben kann: der stete Wechsel der Jahreszeiten, von Licht und Dunkelheit: „Solange die Erde steht, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8,22)
Da ist ein Boden, der es wachsen lässt. Kürzlich, es war Frühling, machte ich etwas, das ich zuletzt als Kind getan hatte: Ich breitete im Wald die Jacke aus, legte mich mit dem Rücken auf den Boden, zog meine ziemlich dunkle Sonnenbrille ab und schaute zwischen den Stämmen in den Himmel. So sicher fühlte sich der Erdboden schon lange nicht mehr an.
Von Georg Magirius ist das Buch erschienen „Gute Wünsche aus der Bibel“, Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2016.