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Von – 30. April 2016

„Wir stehen vor einer großen Aufgabe“

Eine Podiumsdiskussion im Haus am Dom widmete sich der längerfristigen Integration von Geflüchteten.

„Ich habe Deutsch im Flüchtlingswohnheim von Kassetten gelernt“, sagt Nargess Eskandari-Grünberg. Das ist mehr als 30 Jahre her. 1985 flüchtete Eskandari als Verfolgte des islamischen Regimes aus Iran nach Deutschland und lebt seitdem in Frankfurt. Sie studierte Psychologie und wurde promoviert, heute ist die Politikerin der Grünen Integrationsdezernentin in Frankfurt. An diesem Abend sitzt sie auf dem Podium im voll besetzten Giebelsaal im Haus am Dom.

„Vom Willkommen zur Integration“ ist die Veranstaltung überschrieben, und Eskandari-Grünberg wirft einen sowohl persönlichen, als auch professionellen Blick auf das Thema. „Integration muss strukturiert ablaufen“, fordert sie. Die Erinnerung an die 80er Jahre sind ihr noch lebendig, so dürfe die Eingliederung von Menschen aus anderen Teilen der Welt nicht angegangen werden. „Es uns war damals sogar verboten, Deutschkurse zu besuchen. Integrationskurse waren etwas völlig Unbekanntes.“

Derzeit müssten in Frankfurt etwa 6000 Geflüchtete heimisch werden, „das ist eine große Aufgabe.“ Im Jahr 2015 sind mehr als eine Million Menschen vor Krieg, Gewalt, Armut und Perspektivlosigkeit nach Deutschland geflüchtet. Nachdem in den vergangenen Monaten vor allem die Notversorgung von Geflüchteten im Vordergrund stand, rücken jetzt immer mehr auch die längerfristigen Integrationsaufgaben in den Blick. Wie funktioniert der Zugang zu Bildung, Ausbildung und Arbeit? Wie können Geflüchtete als Subjekte und selbst Handelnde unterstützt werden? Wie können Konflikte vor Ort reguliert werden? Was braucht es, damit die Integration von Geflüchteten gelingen kann?

Darum geht es in der Diskussion, an der außer Nargess Eskandari-Grünberg noch Nevroz Duman von der Organisation „Jugendliche ohne Grenzen“ in Hanau, Thomas Kunz, Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Frankfurt, Andreas Lipsch, der Interkulturelle Beauftragte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau sowie Rosina Walter vom Vorstand des Vereins Berami, der Migrantinnen und Migranten bei der beruflichen Integration helfen will. Moderator ist Pitt von Bebenburg, Redakteur der Frankfurter Rundschau.

Das A und O sei eine gute Beratung, sagt Rosina Walter, die seit vielen Jahren Migrantinnen und Migranten Perspektiven aufzeigt. „Denn es geht ja nicht nur darum, irgendjemanden in irgendeine Arbeit zu bringen. Mit einem eindringlichen Vortrag schilderte Nevroz Duman von der Flüchtlings-Selbsthilfeorganisation „Jugendliche ohne Grenzen“ die schwierige Situation unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter. „Da gibt es viele Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention.“ Sie wisse von Jugendlichen, die sich selbst verletzten, um nicht an einen anderen Ort zugewiesen zu werden, wenn sie am Ankunftsort Bindungen aufgebaut hätten. Es gebe eine Unterkunft, in der bis zu 200 Jugendliche lebten, tagsüber betreut von vier Sozialarbeitern und nachts von Security-Angestellten.

„Im Moment erleben wir noch zuviel Integration durch Zufall“, sagt Andreas Lipsch. Der Prozess des Ankommens dauere entschieden zu lange. „Ich weiß von somalischen Jugendlichen, die nach drei Jahren noch nicht einmal ein Interview mit einem Vertreter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hatten“, berichtet er. Außerdem kristallisiere sich in weiten gesellschaftlichen Kreisen eine problematische Ansicht heraus: „Nach dem Motto: Die Guten wollen wir schon, die anderen eher nicht. Das ist ein falscher Ansatz, der einer gelungenen Integration eher entgegenwirkt.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 30. April 2016 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.