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Von – 23. November 2016

Panik oder Dialog? Religionsfreiheit in Zeiten von Terrorismus

Eine Podiumsdiskussion im Haus am Dom beleuchtete das schwierige Verhältnis zwischen muslimischen Gemeinden, Kommunen und Verfassungsschutz.

Diskutierten über Religionsfreiheit: Volker Siefert, Sylvia Weber, Abdessamad El Yazidi, Joachim Valentin und Canan Topcu (v.l.n.r.).

Diskutierten über Religionsfreiheit: Volker Siefert, Sylvia Weber, Abdessamad El Yazidi, Joachim Valentin und Canan Topcu (v.l.n.r.).

Immer wieder erschüttern Anschläge islamistischer Gruppen und Einzeltäter europäische und inzwischen auch deutsche Städte. Allein 15 Wohnungen in Frankfurt waren Mitte November ins Visier des Verfassungsschutzes geraten und von einem Großaufgebot an Polizisten durchsucht worden. Bei der deutschlandweiten Großrazzia ging es um die radikal-salafistischen Vereinigung „Die wahre Religion“, die hinter umstrittenen Koran-Verteilaktionen in deutschen Städten steht.

Die Gefahr geht meist von bestimmten Gruppen aus, von einer bestimmten Richtung innerhalb des Islams. Und doch ist es der Islam als Weltreligion, der einen immer schwierigeren Stand in Europa, in Deutschland, in Frankfurt hat. Wir wollen Religionsfreiheit, ja. Aber müssen wir nicht trotzdem viel genauer hinschauen? Oder eher viel mehr vertrauen?

„Positive Religionsfreiheit oder Extremismus?“ lautet recht  provokativ der Titel einer gut besuchten Podiumsdiskussion im Haus am Dom, zu der Abdessamad El Yazidi, der Vorsitzender hessischer Landesverband des Zentralrats der Muslime, die Frankfurter Integrationsdezernentin Sylvia Weber (SPD), Volker Siefert, Journalist bei Hessischen Rundfunk und Joachim Valentin  als Islambeauftragter des Bistum Limburg zusammengekommen sind. Moderatorin ist Canan Topcu, früher Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau.

Es geht um das Ringen um einen verantwortungsvollen Umgang mit Informationen über muslimische Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet und als kritisch eingestuft werden. Wie sollten Kommune, Medien, Kirchen als Partner des Dialogs mit muslimischen Vereinen, Institutionen und Verbandsvertretern umgehen, die im Visier der staatlichen Sicherheitsbehörden sind? Wird hinreichend zwischen konservativem Islam, legalistischem Extremismus und Gewaltbereitschaft, ja Terror- Gefahr, unterschieden?

„Uns müssen die Informationen des Verfassungsschutzes zugänglich gemacht werden“, stellt Abdessamad El Yazidi klar. Er sieht die breite öffentliche Debatte als Ansporn, in einen Dialog zu treten. „Die großen muslimischen Verbände haben sich längst positioniert, sie streben einen Dialog mit den Kommunen und anderen religiösen Gruppen an“, sagt er. „Es ist nicht richtig, dass wir die Zeche zahlen sollen für Gruppen, die im Untergrund arbeiten.“ Viele junge Extremisten würden gar nicht über ihre Moschee, sondern über die sozialen Medien politisiert. „Die treffen sich dann in Privatwohnungen.“

Sylvia Weber ist sich des Problems bewusst: „Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist ja noch kein Beweis für Verfassungsfeindlichkeit. Wir dürfen auch nicht alle Moscheegemeinden unter Generalverdacht stellen.“ Stattdessen wirbt sie dafür, das Klima der Offenheit und Toleranz in Frankfurt noch zu verstärken. „Nur so können wir dem Extremismus den Boden entziehen.“

Kritischer äußerte sich der Journalist Volker Siefert. „Wir müssen ganz genau hinschauen“, forderte er. Siefert hatte zuvor etwa die Berechtigung des Deutsch-Islamischen Vereinsverbandes Rhein-Main (DIV) angezweifelt, Radikalisierungsprävention zu betreiben und hierfür Bundesmittel zu erhalten, da eine seiner Mitgliedsorganisationen eine ideologische Nähe zu den Muslimbrüdern habe. Solche Dinge dürften nicht im Vorwurf der „Islamophobie“ untergehen.

Andererseits neige die öffentliche Debatte dazu, nicht nur radikale Islamisten, sondern auch den konservativen Islam in den Fokus zu nehmen, also jene, die nicht mit Gepflogenheiten übereinstimmen, die es hierzulande auch seit 20 bis 30 Jahren gibt, sagte Joachim Valentin. „Auch portugiesische, italienische und griechische Einwanderer finden nicht alles gut, was in unserer Gesellschaft passiert, zum Beispiel im Umgang mit Homosexualität.“

Integrationsdezernentin Weber gab sich insgesamt hoffnungsvoll. „Ich glaube, die meisten Moscheegemeinden kennen ihre Pappenheimer und wissen genau, wer radikaler denkt als der Durchschnitt. Es kann doch nicht im Sinne einer Gemeinde sein, wenn ihre Jugendlichen abdriften.“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 23. November 2016 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.