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Von – 1. November 2016

Podium: Ist Israelkritik die neue Judenfeindlichkeit?

Gibt es eine neue Form von Judenfeindlichkeit, die sich darin zeigt, wie über den Staat Israel gesprochen wird? Eine Podiumsdiskussion in der Bildungsstätte Anne Frank stieß auf großes Publikumsinteresse.

Intensive Debatte über Antisemitismus und Israelkritik in der Bildungsstätte Anne Frank. Foto: Anne Rose Dostalek

Intensive Debatte über Antisemitismus und Israelkritik in der Bildungsstätte Anne Frank. Foto: Anne Rose Dostalek

Für die einen ist Israel das „Heilige Land“ und eine Zuflucht für Juden und Jüdinnen aus aller Welt, für die anderen ein Staat, der die Menschenrechte von Palästinenserinnen und Palästinensern missachtet. Als Günther Grass vor vier Jahren sein israelkritisches Gedicht „Was gesagt werden muss“ veröffentlichte, erhob sich ein Sturm des Protestes, Grass wurde Antisemitismus vorgeworfen. „Was gesagt werden muss“, so betitelte nun die Anne-Frank-Bildungsstätte ihre Einladung zu einer Podiumsdiskussion. Im Mittelpunkt stand die These, dass es eine neue Form der Judenfeindlichkeit gibt, die sich verdeckt im Sprechen über den Staat Israel zeigt.

Das Thema scheint einen Nerv zu treffen, denn mehr als hundert Interessierte kamen, um die intensive Diskussion mit zu verfolgen. Dass derzeit noch die bemerkenswerte Ausstellung „Selektion von Entebbe“ läuft, hat sicherlich zum Interesse beigetragen: Sie erinnert an eine Flugzeugentführung vor vierzig Jahren, bei der die israelischen Geiseln von den deutschen und palästinensischen Terroristen und Terroristinnen ausgesondert wurden.

Der Antisemitismusforscher Klaus Holz geht davon aus, dass viele sich bei ihrer Kritik am Staat Israel von einem latenten und nicht eingestandenen Antisemitismus leiten lassen. Es falle leicht, in den Chor derer einzufallen, die die Ursache für den Nahostkonflikt allein bei Israel sehen. Das entlaste auch von der spezifischen deutschen Verantwortung für den Holocaust, was sich zum Beispiel in Aussagen wie „Die Israelis machen ja mit den Palästinensern dasselbe wie die Nazis mit den Juden“.

Der Journalist Georg Hafner bemängelte, dass in der aktuellen Berichterstattung Israel nur als aggressiver, gewalttätiger Staat vorkomme. Interessante Themen zur Alltagskultur würden nicht besetzt, und damit fehle jedwede positive Darstellung jüdischen Lebens. Er forderte dazu auf, genau hinzuschauen, wenn es wieder einmal um Wasser für den Gazastreifen, den Vorwurf „Kindermörder“ oder Menschenrechtsverletzungen ginge. Viele dieser Geschichten seien schlecht recherchiert und stempelten die Israelis zu alleinigen Übeltätern und Verantwortlichen ab.

Die Aktivistin und Bloggerin Merle Stöver berichtete über die Schwierigkeit, sich in der linken feministischen Szene für jüdisches Leben und Israel als jüdischen Staat einzusetzen. Im linken Selbstverständnis habe die Solidarität mit Palästina als verfolgtem und diskriminiertem Volk Vorrang, und so würden sogar Bündnisse mit eindeutig antisemitischen Gruppierungen eingegangen.

Die aus dem Publikum gestellte Frage, wie es denn nun möglich sei, politische Kritik an Israel zu äußern, ohne als antisemitisch zu gelten, verhallte dennoch ungehört. Ein junger Israeli stand allerdings auf und sagte, „Israel braucht eine klare Botschaft der Welt, dass es so nicht weiter machen kann“.

Bei der Ausstellung „Selektion von Entebbe“, einem Projekt von Studierenden der Goethe-Universität, ist die Evangelische Akademie Frankfurt Mitveranstalterin. Die Ausstellung ist noch bis zum 21. Dezember 2016 in der Bildungsstätte Anne Frank, Hansaallee 150, zu sehen (dienstags bis freitags von 12.30 bis 17 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr).

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. November 2016 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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