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Von – 26. Januar 2017

„Ein feste Burg“ auch in Afrika

Die Frankfurter Filmemacherin Julia Peters dreht zum Reformationsjubiläum eine Dokumentation über einen besonderen Chorwettbewerb – in Tansania.

Machen zusammen den Dokumentarfilm „Luthers Erben“: Julia Peters und Kelvin Mollel. Foto: Rolf Oeser

Kelvin Gospel Mollel muss lachen, als er in der Bar des Frankfurter Hotels Flemings vor einem Mineralwasser sitzt. „Ja, wirklich. Ich finde die Gottesdienste in Deutschland viel zu kurz.“ Der 26-Jährige hat in der tansanischen Großstadt Arusha den Jugendchor Kaanani gegründet, da war er erst 15. Chöre spielen eine zentrale Rolle in den rund dreistündigen Gottesdiensten in seinem Land. „Das fehlt mir hier ein bisschen.“

Doch Kelvin ist nicht nur begeisterter Chorsänger, Komponist und Multi-Instrumentalist. Er hat die Musik auch zu seinem Beruf gemacht – als Produzent von Musikvideos. Der Frankfurter Regisseurin Julia Peters geht er derzeit bei einem besonderen Projekt zur Hand: dem Dokumentarfilm „Luthers Erben – Sing It Loud“. In einem Studio am Main werden gerade die letzten Szenen geschnitten. Im April soll der Film ins Kino kommen. Im Herbst wird der Sender 3sat in ausstrahlen. Es geht um einen Chorwettbewerb – und um die Menschen, die singen.

1500 Chöre treten in Tansania jedes Jahr gegeneinander an

Das Reformationsjahr 2017 ist auch in Ostafrika von Bedeutung. Zur Evangelisch-Lutherischen Kirche Tansanias gehören rund 5,5 Millionen Menschen. Und es gibt dort seit 60 Jahren einen der wohl größten Chorwettbewerbe der Welt: 1500 Chöre treten jährlich gegeneinander an. Zunächst in Vorausscheiden in den Diözesen, die 20 Besten dann im großen Finale.

Bestreiten müssen sie dabei einen Pflichtteil und die Kür. Die Pflicht: ein europäischer Choral, der von der Kirchenleitung vorgegeben wird. Die Kür: eine eigene Komposition, in der sie zeigen, wie das Evangelium auch in traditionellen afrikanischen Musikformen seinen Ausdruck finden kann. Das Lied „Mungu wetu ndiye Boma“ kennen die Menschen dort, sofern sie regelmäßig in die Kirche gehen. Ein wenig fremd wird es ihnen trotz allem bleiben, denn ein tansanischer Gospel klingt ganz anders. „Mungu wetu ndiye Boma“ ist Suaheli und heißt „Ein feste Burg ist unser Gott“. Das berühmte Kirchenlied, von Martin Luther selbst geschrieben, spielt in „Luthers Erben“ eine zentrale Rolle. Denn es ist diesmal das Pflichtstück im Wettbewerb.

„Menschen, die für ihre Sache brennen“

Der Film des Teams um Julia Peters und Kelvin Mollel erzählt von Leben, Glauben und den musikalischen Visionen von sechs Sängerinnen und Sängern. Es geht um berührende Familiengeschichten und überraschende Einblicke in das tansanische Leben. „Ich habe Menschen getroffen, die für ihre Sache brennen, die eine Leidenschaft haben“, berichtet Julia Peters. „Auf diese Weise will ich ein anderes als das übliche Afrikabild vermitteln, bei dem Themen wie Armut, Krieg und Aids oft im Mittelpunkt stehen.“

Die Zuschauerinnen und Zuschauer lernen zum Beispiel Martha kennen, eine Witwe und Kleinbäuerin in bescheidenen Verhältnissen. Der Glaube und der Gesang gaben ihr in schwerer Zeit die Kraft zum Überleben. Heute leitet sie den Neema-Chor, der aus Menschen ihrer Dorfgemeinschaft besteht und für den sie inzwischen eigene Lieder komponiert. Auch das Ehepaar Maria und Evarest hofft auf einem Sieg. Die beiden betreibt eine Autowerkstatt in Arusha und haben bereits vor 20 Jahren mit Freunden den A-Capella Cantate Chor gegründetAlle Chorsängerinnen und -sänger  haben etwas gemeinsam: Sie sind Autodidaktinnen und Autodidakten, Christinnen und Christen.

„Diese Lieder sind wir nicht gewohnt zu singen“

Der Filmtrailer beginnt mit Szenen aus ländlicher Gegend, die Erde ist rostrot, die Hitze der Sonne zu erahnen. Dazu sieht man eingeblendete Fotos aus der Missionsgeschichte. Unterlegt ist das Ganze mit dem Gesang aus einem Bach-Oratorium. Dann erscheint das Gesicht von Kelvin: „Diese Lieder sind wir nicht gewohnt zu singen“, sagt der er mit entschuldigendem Lächeln. Schnitt: Vorbereitungen zu einem Chortreffen, fröhliche Stimmen, ein mitreißender Rhythmus, Männer und Frauen in bunten Gewändern wiegen sich im Takt.

Die Lutheraner in Tansania leben ihren Glauben intensiv, erzählt Peters. Sie seien sehr fromm, tränken keinen Alkohol und gingen auch nicht in Diskotheken. Das Grundwissen über Martin Luther sei bei den Menschen vorhanden. „Die meisten wissen, dass das Reformationsjahr bald losgeht und Luther seine 95 Thesen hatte“, sagt die Regisseurin. „Wärme und Würde – diese zwei Begriffe fallen mir ein, wenn ich ‚Sing It loud‘ kurz beschreiben soll“, sagt sie. „Mit dieser Haltung wollen wir uns den großen Themen Kultur, Existenz und Religion annähern.“ Der Film erzählt aber noch mehr: nämlich wie durch Chormusik eine neue Gemeinschaft entsteht.

Übernachtungsmöglichkeiten im Mai gesucht

Der Jugendchor Kaanani aus Arusha wird im Mai auf Deutschland-Tournee gehen. Am Pfingstmontag singen die jungen Männer und Frauen mit dem Chorleiter Kelvin Mollel auf dem Römerberg. Es werden für Mitte Mai noch Übernachtungsmöglichkeiten für die Sängerinnen und Sänger aus Tansania gesucht. Wer Interesse und genug Raum hat, zwei Teilnehmer zu beherbergen, kann sich bei Julia Peters unter der Email-Adresse info@jip-filmproduktion.de melden.

Mehr über das Projekt, Trailer und Filmausschnitte gibts auf der Facebookseite zum Film.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 26. Januar 2017 in der Rubrik Kultur, erschienen in der Ausgabe , .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.