Martin Niemöller, der erste Kirchenpräsident in Hessen und Nassau, war einer der größten Kritiker der unklaren Haltung der Kirchen zum Nationalsozialismus. Vom U-Boot-Komandanten wandelter er sich zum überzeugten Pazifisten. Zu seinem 125. Geburtstag gab es jetzt einen Festgottesdienst in der Katharinenkirche.
Das wohl bekannteste ihm zugeschriebene Zitat hat Martin Niemöller zwar ursprünglich nicht wortwörtlich gesagt. Doch steht es treffend für sein Bekenntnis zu seinem eigenen Versagen und dem seiner Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus – und für die Konsequenzen, die er daraus gezogen hatte:
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Niemöller war einer der wenigen Kirchenmänner, die sich schon kurz nach dem Krieg schuldig bekannt hatten. „Ich bin schuldig, weil ich 1933 noch Hitler gewählt hatte.“
Vor 125 Jahren wurde Niemöller geboren, an diesem kalten Januarsonntag ist eine der größten Frankfurter Kirchen zu seinen Ehren gut gefüllt: Martin Niemöller war der erste Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) nach dem Zweiten Weltkrieg und einer der widersprüchlichsten Protagonistinnen und Protagonisten der jungen Bundesrepublik.
Der frühere U-Boot-Kommandant und Mitbegründer der Bekennenden Kirche kämpfte nach dem Krieg vehement gegen die Wiederbewaffnung des Landes und begleitete die politische Entwicklung Deutschlands bis zu seinem Tod 1984 immer wieder kritisch.
Der heutige Kirchenpräsident Volker Jung, sagte in der Frankfurter Katharinenkirche, Niemöllers gesellschaftspolitisches Engagement habe sich aus einer tiefen Frömmigkeit gespeist. Ihm sei es um die Konsequenzen der biblischen Botschaft im persönlichen und gesellschaftlichen Leben gegangen. Deswegen habe Niemöller in allen Lebenslagen die Frage gestellt: Was würde Jesus dazu sagen?
„Niemöller fragte: ‚Würde Jesus sagen: Nimm und werfe eine Atombombe?’ Die Antwort darauf musste ‚nein’ lauten.“ Pröpstin Gabriele Scherle nannte Martin Niemöller eine „Inspiration für uns“.
Immer wieder geht es im Festgottesdienst vom Wunder die Rede, vom Wunder der Umkehr und Reflektion. „Ein Wunder, wenn einer vor Gott tritt und sagt, ich habe Schuld auf mich geladen.“
Angesichts des derzeitigen Auftriebs für Populisten sei Niemöllers Warnung vor „einfachen Rettungs- und Erlösungsphantasien” erschreckend aktuell, sagte Volker Jung. Eine seiner zentralen Positionen sei es gewesen, nicht in einer Fixierung auf die „abendländische Kultur” das Heil zu sehen.
Niemöller war Offizier der kaiserlichen Marine, ehe er Theologie studierte und Pfarrer in Berlin wurde. Obwohl er lange mit der NS-Ideologie sympathisiert hatte, widersetzte er sich der Gleichschaltung der Kirche im NS-Regime und trat für die Bekennende Kirche ein. Deswegen war er von 1937 bis 1945 als Häftling in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau.
Volker Jung bezeichnete seinen Amtsvorgänger als wegweisenden evangelischen Theologen, dem die „großen Aufgaben der Versöhnung und der Sicherung des Friedens besonders am Herzen lagen“. Allerdings würden beispielsweise in seinen Predigen selten politische Themen direkt angesprochen. Die theologischen Texte blieben eine Enttäuschung für jeden Journalisten, der nach Schlagzeilen suche. Trotzdem seien seine Kanzelreden „zutiefst politisch“, weil sie dazu anregten, nach den Konsequenzen der biblischen Botschaft im persönlichen und gesellschaftlichen Leben zu fragen.
Im Anschluss an den Gottesdienst wurde auch eine neue Biographie über den Theologen erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Wissenschaftliche Buchgesellschaft präsentierte in der Katharinenkirche „Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer“ des Autors Michael Heymel. Der Niemöller-Kenner erzählt in seinem Werk die erstaunliche Emanzipation eines Mannes im 20. Jahrhundert, der vom kaiserlichen Marineoffizier zum Widerstandskämpfer und Pazifisten wird.