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Von – 2. Juli 2017

Kirchenasylkonferenz fordert besonnene Flüchtlingspolitik

Bei einer bundesweiten Kirchenasylkonferenz haben in Frankfurt am Main mehr als 200 Vertreterinnen und Vertreter von Flüchtlingsinitiativen den zunehmenden Druck von Politik und Behörden auf das Kirchenasyl beklagt.

In einer am 1. Juli verabschiedeten Erklärung forderten sie die Verantwortlichen auf, „zu einer besonnenen, rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden und an den Menschenrechten orientierten Flüchtlingspolitik“ zurückzukehren. Hauptziel bleibe, „im Dialog mit der Politik und den Behörden die Ursachen von Kirchenasyl zu beseitigen“.

In der Erklärung mit dem Titel „Am liebsten wäre es uns, kein Kirchenasyl gewähren zu müssen“ werden die aktuellen Missstände in der Flüchtlingspolitik deutlich benannt. Angeprangert werden insbesondere die drohenden Abschiebungen nach Afghanistan sowie in europäische Länder, in denen die Grund- und Menschenrechte von Schutzsuchenden häufig verletzt werden, wie Ungarn, Bulgarien oder Italien. Rückführungen in solche Länder sollten nicht mehr stattfinden, heißt es.

Auch Abschiebungen nach Griechenland, die bis März 2017 wegen systemischer Mängel im Aufnahmesystem des Landes ausgesetzt waren, sollten nach Auffassung der Konferenz unterbleiben, solange sich die Lage für Flüchtlinge in Griechenland nicht wesentlich verbessert hat. Abschiebungen nach Afghanistan sollten vollständig ausgesetzt bleiben. Außerdem müsse die Praxis der sogenannten Kettenabschiebungen, zum Beispiel über Norwegen nach Afghanistan, in den Blick genommen werden.

Die Konferenz fordert in der Erklärung das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf, „seine Ermessensspielräume zu nutzen, um familiäre Bindungen und humanitäre Aspekte zu berücksichtigen“. Schließlich wendet sie sich gegen Versuche der Diskreditierung und Kriminalisierung durch Vorwürfe, das Kirchenasyl werde missbraucht. „Die Drohung mit Sanktionen, Einschüchterungen durch Strafverfahren gegen Betroffene und ihre Unterstützer sowie Androhung und Durchführung von Kirchenasyl-Räumungen weisen wir zurück“, heißt es in der Erklärung.

Auf der Konferenz hatte die Vorstandsvorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, berichtet, dass neben dem BAMF und den Ausländerbehörden auch kirchenleitende Gremien häufig Druck auf die Asyl gewährenden Gemeinden ausübten, weil sie das gute Verhältnis zu den politischen Partnern nicht gefährden wollten. Hinzu kämen die großen finanziellen und persönlichen Belastungen der Flüchtlingshelferinnen und -helfer.

Der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, berichtete davon, dass die Europäische Union derzeit „eine komplette Revision des Asylrechts“ plane. Diskutiert würden unter anderem eine Abschaffung der Drittstaaten-Regelung und der sechsmonatigen Frist für die Überstellung eines Ausländers an den nach den Dublin-Bestimmungen für das Asylverfahren originär zuständigen Mitgliedstaat. Außerdem gebe es Bestrebungen, Flüchtlingen den gerichtlichen Beschwerdeweg zu verbauen.

Zu Beginn der Tagung hatte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung den Konferenzteilnehmern und ihren Mitstreitern vor Ort für ihr „großartiges und ganz konkretes Engagement für Menschen in Not“ gedankt und dazu aufgerufen, auch weiterhin „ethisch in Unruhe zu bleiben“.

Die Konferenz wurde gemeinsam von der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche und der hessen-nassauischen Kirche ausgerichtet. Derzeit gibt es nach BAG-Angaben 309 Kirchenasyle in Deutschland mit mindestens 512 Personen, davon 129 Kinder. Die Zahl der Anfragen nehme deutlich zu. Internet: www.kirchenasyl.de, www.ekhn.de

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Beitrag von , veröffentlicht am 2. Juli 2017 in der Rubrik Ethik.

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Kommentare zu diesem Artikel

  • G. Mueller-Debus schrieb am 20. Juli 2017

    Kirchenasyl ist eine tradionell gute, aber gleichwohl lediglich eine temporaere Ausnahmemoeglichkeit, bedraengten Menschen zu helfen. Kirchen koennen hier ueberbrueckend helfen, duerfen jedoch keine dauerhaften Parallelrechte institutionalisieren, wenn es um Asylfragen im deutschen und europaeischen Rechtssystem geht.

    Abschiebungen nach Afghanistan werden derzeit zu Recht ausgesetzt. Ob dies so bleibt, wird man mit Blick auf die Entwicklung der dortigen Situation entscheiden muessen.

    Abschiebungen innerhalb Europas hingegen muessen vom Prinzip her anders gesehen werden. In aller Regel gibt es dort keine Situationen, die Leib und Leben gefaehrden. Diskriminierungen, (zB bei Roma), so beklagenswert diese im Einzelfall auch sein moegen, oder der schlichte Wunsch, „besser zu leben“, sind keine Gruende fuer Asyl und ziehen daher zu Recht keine Aufenthaltsberechtigungen nach sich.

    Waere es anders, muesste man wohl in kuerzester Zeit mit etwa einer halben Millionen Bewohner aus dem Kosovo und angrenzenden Laendern rechnen, dazu mindestens ebensoviele Roma aus Bulgarien, Rumaenien und der Slowakei.

    Dass dies unter gar keinen Umstaenden sein darf, liegt doch auf der Hand. Und dies allein schon deshalb nicht, weil damit das Sozialstaatsgefuege in Deutschland wie auch in anderen westeuropaeischen Laendern zum Zusammenbruch gebracht wuerde. Hier hat der Staat eine zentrale Verantwortung fuer das Wohl seiner Bevoelkerung ! Den Minderheiten in Europa, insbesondere in Ost- und Suedosteuropa, muss vor Ort geholfen werden – dafuer gibt die EU den neuen Mitgliedslaendern bereits heute riesige Finanzhilfen, deren ordnungsgemaesse Verwendung genauestens zu ueberpruefen ist, damit die Gelder nicht in korruptiven Kanaelen verschwinden.