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Von – 19. Oktober 2017

Zwischen Ernsthaftigkeit und Innigkeit: Konzertprojekt zu Luther

Moderne Kompositionen, alte Lieder, verwoben mit Texten: Zum Reformationsjubiläum ersann Kantor Peter Scholl in der Bockenheimer Jakobskirche ein ungewöhnliches Format, um Martin Luther und sein Wirken dem Publikum nahezubringen.

Schauspieler Helge Heynold und der Chor „Accentus Vocalis“ bei der Aufführung in der Jakobskirche in Frankfurt-Bockenheim. Foto: Rolf Oeser

Luther alias Schauspieler Helge Heynold hält seine berühmte, rhetorisch geschliffene, von tiefer Überzeugung getragene Verteidigungsrede auf dem Reichstag zu Worms und endet mit den Worten: „Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“  Und plötzlich sitzt ein junger Chorsänger neben mir auf der Kirchenbank und singt mit reiner, klarer Stimme: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen.“ Und nicht nur neben mir. Immer mehr Sänger und Sängerinnen mischen sich unter das Publikum in der Jakobskirche und singen laut das berühmte Luther-Lied.

Das ist einer der genialen Momente in dem Konzertformat, mit dem der von Kantor Peter Scholl geleitete Kammerchor „Accentus Vocalis“ das Reformationsjubiläum in Bockenheim würdigt: Das Publikum wird zur Gemeinde, die Luther in seiner Überzeugung unterstützt. Die Zuhörerinnen und Zuhörer können gar nicht anders, als sich mit allen Sinnen in das Geschehen mit einbezogen zu fühlen.

Text und Musik stehen an diesem Abend im Oktober gleichberechtigt nebeneinander. Helge Heynold liest Auszüge aus Briefen und Tischreden vor, die Einblicke in Luthers Entwicklung vom jungen Mönch und Universitätsgelehrten über seine Auseinandersetzung mit dem Ablass und Verteidigung in Worms geben. Zur Sprache kommt sein tiefer Glauben an die Gnade Gottes, aber auch seine Zweifel, seine Übersetzungsarbeit und seine Liebe zu Musik.

Was die Texte auf der Verstandesebene ansprechen, unterstreichen Luther-Lieder wie „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ oder „Mit Fried und Freud fahr ich dahin“ mit emotionaler Verve. Die unterschiedlichen Vertonungen von Mendelssohn-Bartholdy, Bach, oder moderner von Hugo Distler oder Volker Jaekel werden von dem A-capella-Chor unter Leitung von Scholl mit perfekter Leichtigkeit vorgetragen.

Ein Schwerpunkt sind die überraschenden Uraufführungen von Luther-Szenen, mit denen Scholl den Frankfurter Komponisten Jonathan Granzow beauftragt hat. Heynold liest vor, wie Luther sich gegen Vorwürfe verteidigt, er habe sich bei seiner Bibel-Übertragung zu weit vom griechischen oder hebräischen Urtext entfernt. Sehr witzig also, dass Granzow ausgerechnet jene Stelle aus Luthers Bibel-Übersetzung vertont hat, in der es heißt: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein, und wer einen Stein wälzt, auf den wird er zurückkommen.“

Musikalisch bildhaft ist auch die Umsetzung: Gesungen wird jeweils nur der erste Teilsatz „Wer anderen eine Grube gräbt“ und „Wer einen Stein wälzt“, der zweite Teilsatz wird dagegen ausschließlich musikalisch umgesetzt: Da klackert es abwärts, da fällt es zurück.

So gelingt diesem Konzertprogramm nicht nur einen Abriss über Luthers Leben und Wirken. Es hält auch die Waage zwischen der Ernsthaftigkeit und Innigkeit der Luther-Texte und einer humorvollen Leichtigkeit. Das liegt vor allem an der lebendigen musikalischen Darbietung und Spielfreude dieses Chors von ambitionierten Laiensängern und Musikstudentinnen. Und am Augenzwinkern des modernen Komponisten sowie einiger derb-komischer Passagen in Luthers Texten.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 19. Oktober 2017 in der Rubrik Kultur, erschienen in der Ausgabe .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".