Für nicht mehr zeitgemäß hält der Ressortleiter Wirtschaft der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, Rainer Hank, das automatische Einzugsverfahren für die Kirchensteuer. Andere hingegen sagen, das Verfahren sei effektiv und sinnvoll: eine kontroverse Debatte bei der Evangelischen Akademie Frankfurt.
Während die Einnahmen der Kirchen seit Jahren anstiegen, verließen immer mehr Mitglieder die Organisationen, sagte Hank bei einer Podiumsdiskussion der Evangelischen Akademie Frankfurt. Die Kirchensteuer dämpfe die Bereitschaft der Gläubigen zur Mitwirkung und mache das Personal träge. Hank plädierte dafür, dass die Kirchen sich aus freiwilligen Beiträgen und Spenden finanzierten. „Die Zahlungsbereitschaft der Mitglieder sollte ein Ausdruck der Freiheit sein.“
Dagegen setzte die ehemalige Finanzausschuss-Vorsitzende des Bundestags, die frühere Grünen-Abgeordnete Christine Scheel: „In der politischen Diskussion gibt es keinen Ersatz für die Kirchensteuer.“ Der Einzug der kirchlichen Mitgliedsbeiträge durch die Finanzämter gegen eine Gebühr sei zweckmäßig, weil die Kirchen so Verwaltungsausgaben sparten und das Geld für die eigentlichen Zwecke ausgeben könnten. Außerdem sei die Kirchensteuer gerecht, weil sie durch die Koppelung an die Progression der Lohn- und Einkommenssteuer die Mitglieder je nach ihrer Leistungsfähigkeit verschieden belaste. Schließlich habe die Kirchensteuer den Vorteil, dass sie durch ihre steuerlich festgelegte Höhe einem finanzstarken Geber keinen persönlichen Einfluss auf die Kirche einräume.
Der Finanzdezernent der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Heinz Thomas Striegler, nannte die Kirchensteuer notwendig, weil sie der Organisation einen sicheren Finanzrahmen verschaffe. Die EKHN wolle ihre 19?000 Beschäftigten verlässlich entlohnen. Striegler bekräftigte die sparsame Effizienz des Einzugsverfahrens und die solidarische Belastung der Mitglieder. Ohne die Kirchensteuer wäre außerdem eine gleichmäßige flächendeckende Versorgung des Landes mit kirchlichen Angeboten nicht möglich. Der Finanzausgleich der evangelischen Landeskirchen in Deutschland umfasse jährlich 140 Millionen Euro.
„Die Kirche ist keine Privatoase für ihre Mitglieder, sondern eine öffentliche Institution für andere Menschen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Hessen, Wolfgang Gern. Die Kirche gestalte die „Wertegemeinschaft der Gesellschaft“ mit, gebe zivilgesellschaftlichem Engagement Raum und sei mit sozialer Arbeit auf vielen Feldern aktiv. 15 bis 20 Prozent der Kirchensteuer flössen in diakonische Arbeit. Die Beiträge der Kirchen für die Gesellschaft bräuchten eine verlässliche Finanzquelle. „Die Kirchensteuer ist das weniger schlechte System unter schlechten.“
G. Mueller-Debus schrieb am 3. März 2017
Es ist keine Frage, dass Kirchen Kirchensteuer brauchen, schon allein, um ihren vielfaeltigen sozialen Aufgaben nachkommen zu koennen, die uebrigens sonst wohl vom Staat wahrgenommen werden muessten, was wiederum vermutlich Steuererhoehungen nach sich zoege.
Man muss die Zahlungen ja nicht „Steuer“ nennen, denn Besteuerung obliegt dem Staat und nicht einer Einrichtung wie der Kirche. Man sollte von „Mitgliedsbeitraegen“ sprechen, die dann aber von den Kirchen selbst einzuziehen waeren. (Dies wiederum wuerde dem Staat nicht gefallen, verdient er doch gut daran, fuer die Kirchen diesen Einzug zu organiseren….)
Der deutsche Staat ist religionsneutral, was bekanntlich einschlaegig bereits in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 festgelegt wurde, deren spezielle Vorschrift als Teil des Grundgesetzes fortgilt. Insofern duerfte es eigentlich keinen „Steuer“- Einzug durch den Staat geben.