Gründonnerstag ohne Grie Soß ist in Frankfurt undenkbar. Doch warum ist das so? Auf Spurensuche im „Gärtnerdorf“ Oberrad.
Dribbdebach sind die Felder immer grüner. Südlich des Mains, in Oberrad, wachsen schließlich die sieben Kräuter, und das schon seit Generationen. Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer, Schnittlauch. Jedem Kraut haben sie hier ein kleines Denkmal gesetzt, ein Mini-Gewächshaus, deren Glasfassaden in unterschiedlichen Grün-Nuancen strahlen. Denn gemeinsam sind sie das Frankfurter Gericht: Grüne Soße.
„Tausend Grüne Soßen habe ich in der Nacht vor Gründonnerstag immer gewickelt. Wir waren immer zu zweit, jeder packte drei Kräuter, Kresse kam obendrauf. Das Gespür in den Händen ersetzt die Waage. Papier einrollen, an den Seiten einknüllen. Bloß nicht einfach so umschlagen, dann fällt alles raus. Und in der Mitte in Loch für Luft lassen.“
Von 3 bis 22 Uhr in der Großmarkthalle gestanden
Günter Jung hat bis in die 1970er Jahre seinen Gärtnerbetrieb in der sechsten Generation geführt. Am Gründonnerstag hätten sie zehnmal so viel Grüne Soße verkauft wie an gewöhnlichen Tagen. Damals, als er von halb 3 bis 22 Uhr in der Großmarkthalle stand und die Päckchen an Tante-Emma-Läden verkaufte.
Günter Jung erzählt diese Anekdoten an seinem 80. Geburtstag, den er in der Gartenwirtschaft von Rainer Schecker feiert. Der hat den Verein zum Schutz der Frankfurter Grünen Soße gegründet. Und auch für ihn ist Gründonnerstag und Karsamstag Hochsaison. Dafür gibt es ein paar Erklärungsversuche.
Theologen meinen, der Gründonnerstag sei gar nicht „grün“, sondern zum „Greinen“, da die weinenden, weil einsichtigen, Büßer an diesem Tag wieder voll in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen wurden. Beruht die Vorliebe für die grüne Soße an Gründonnerstag also schlicht auf einem Übersetzungsfehler?
Das erste Rezept wurde 1860 gedruckt
1860 ist zum ersten Mal das Rezept zur Frankfurter Grünen Soße gedruckt worden. Damals wurden im Frühjahr – endlich wieder! – frische Kräuter gepflückt. Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer, Schnittlauch, alles was wild auf den Feldern wuchs: „Heute sind das teils Unkräuter, die der Bauer nicht in seinem Weizenfeld haben will“, erzählt Rainer Schecker. Aber früher waren diese Wiesenkräuter oft die ersten frischen Vitamine des Jahres. Dazu passt, dass „grün“ als Synonym für frisch oder neu verwendet wird. („Der ist ja noch ganz grün hinter den Ohren!“) Die traditionelle Kombination mit gekochten Eiern und Kartoffeln passt jedenfalls perfekt in den vegetarischen Essensplan zur Fastenzeit – und damit zu Gründonnerstag.
„Außerdem ist sie gesund, unsere Grie Soß!“ Günter Jung sagt auch das in diesem weichen Frankfurterisch, das Zugezogenen auch nach drei, vier Gläsern Apfelwein nicht gelingen mag. Damit die Qualität „ihrer“ Grie Soß gewährleistet ist, haben die Oberräder nach einer 13-jährigen Bürokratieschlacht mit der EU durchgesetzt, dass die sieben Kräuter der „Frankfurter Grüne Soße“ in Frankfurt oder direkt angrenzenden Gemeinden geerntet und verpackt werden müssen. „Die Frankfurter Grie Soß ist hier erfunden worden. Wenn in Berlin einer tiefgefrorene Grüne Soße verkaufen will, soll er das meinetwegen machen. Aber er darf sie nicht Frankfurter nennen.“ Er habe sie übrigens alle probiert, die tiefgekühlten Soßen und die in kleinen Plastikeimern. „Mir hat keine geschmeckt.“
Und das ist schließlich, was zählt. Was auch immer Gründonnerstag und Grüne Soße zusammengebracht hat – Hauptsache, die Grie Soß schmeckt.