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Das große Schweigen

Lebenspartnerschaft zwischen zwei Kulturen: Anpassung ist nicht nötig, aber Verständnis und Respekt für andere Wertvorstellungen und Gewohnheiten

In Frankfurt leben Menschen aus vielen Ländern der Erde. Da ist es kein Wunder, dass es auch viele gemischte Ehen und Lebenspartnerschaften gibt. Das klappt oft gut, manchmal gibt es aber auch Schwierigkeiten, wenn der „interkulturelle Dialog“ Tag für Tag in den eigenen vier Wänden geführt werden muss. Oft haben solche Partnerschaften zwischen Menschen verschiedener Herkunft auch mit gesellschaftlichen Machtstrukturen und ethnischen Vorurteilen zu kämpfen.

Ein häufiger Konfliktpunkt ist zum Beispiel das Mithelfen im Haushalt. In afrikanischen Ländern haben Frauen und Männer eine ganz andere Aufgabenverteilung. Männer kümmern sich nicht um den Haushalt: das heißt, die Arbeitsteilung mit ihrem Partner im Haushalt, wie sie sich deutsche Frauen oft wünschen, ist nicht selbstverständlich für den afrikanischen Partner. Um bei solchen Konflikten nicht aneinander vorbei zu reden, ist es hilfreich, die andere Kultur besser kennen zu lernen – und das am besten „aus erster Hand“. In der Evangelischen Familienbildung treffen sich regelmäßig Frauen aus verschiedenen afrikanischen und europäischen Ländern, um über solche Dinge zu reden: deutsche Frauen mit afrikanischen Partnern, deutsche Frauen, die sich von ihren afrikanischen Partnern getrennt haben und allein mit ihren afro-deutschen Kindern leben (sie kommen, weil sie die afrikanische Kultur besser verstehen und die schwarze Identität ihrer Kinder unterstützen wollen), sowie Frauen aus afrikanischen Ländern.

Eine deutsche Frau, die mit einem Kameruner verheiratet ist, beklagte sich immer wieder über „das große Schweigen“ ihres Mannes, wenn Konflikte auftauchen. Statt darüber zu reden und im Gespräch eine Lösung zu suchen, bleibe er dann ganz still und gebe meist nicht einmal eine Antwort. Die Afrikanerinnen in der Gruppe konnten ihr den kulturellen Hintergrund dieses Verhaltens erklären: In afrikanischen Ländern sind Paare und Familien in eine größere Gemeinschaft eingebunden, und bei Konflikten spricht der Mann erst mit jemandem aus seiner Verwandtschaft, seiner Gruppe oder mit einem Vermittler. In Deutschland jedoch ist dieser Mann aus Kamerun isoliert und hat nur eine begrenzte Gemeinschaft, mit der er nicht so leicht über persönliche Probleme spricht. Er ist es nicht gewohnt, direkt mit seiner Frau zu reden. Deshalb schweigt er und spricht den Konflikt nicht an.

Allerdings kam beim Gespräch zwischen deutschen und afrikanischen Frauen auch heraus, dass das „Schweigen“ der Männer nur zum Teil ein speziell afrikanisches und interkulturelles Problem ist, sondern auch eines zwischen Frauen und Männern generell: In beiden Kulturen sind Frauen aktiver in der Kommunikation und sprechen Konflikte schneller an. Pauschale Urteile über „die Afrikaner“ oder „die Deutschen“ helfen in konkreten Situationen deshalb nicht weiter. Wichtig ist es, die jeweiligen Unterschiede und Gemeinsamkeiten realistisch und ohne Vorurteile wahrzunehmen und nach Lösungen zu suchen – ohne Anpassung an die fremde Kultur, aber mit Verständnis und Respekt für andere Wertvorstellungen und Gewohnheiten.

Artikelinformationen

Beitrag von , , veröffentlicht am 1. Februar 2001 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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