Martin Luther war ein Freund deutlicher Worte, nicht nur in seinen Werken und Predigten, sondern vor allem in seinen Sprüchen und Tischreden, von deren Spitzen nicht wenige zu volkstümlichen Redeweisen wurden. Dafür wurde er von seinen Anhängern gleichermaßen verehrt wie von seinen Gegnern gefürchtet. “Dem Volk aufs Maul schauen”, war seine Devise, wenn es darum ging, das Evangelium den Menschen nahe zu bringen. Davon ist auch die folgende Deutung Luthers der Weihnachtsgeschichte geprägt:
“Siehe, wie gar schlicht und einfältig die Dinge auf Erden zugehen, und doch so groß gehalten werden im Himmel. (…) Da ist eine arme junge Frau, Maria, zu Nazareth, (…). Da nimmt niemand das große Wunder wahr, das sie trägt, sie schweigt auch stille, (…). Als sie nun in Bethlehem ankommen, zeigt der Evangelist, wie sie die Allergeringsten und Verachtesten gewesen sind, wie sie jedermann haben weichen müssen, bis ihnen ein Stall zugewiesen wurde, eine gemeinsame Herberge mit dem Vieh (…). Da merkt noch erkennt niemand, was in dem Stall Gott wirkt, (…).” Luthers Fazit: “O welch eine finstere Nacht ist damals über Bethlehem gewesen, die ein solches Licht nicht wahrgenommen hat. Wie zeigt Gott damit, dass er so gar nichts achtet, was die Welt ist, hat und vermag; wiederum die Welt beweist, wie gar sie nichts erkennt noch achtet, was Gott ist, hat und wirkt.”