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Von – 1. Februar 2002

Dialog ohne Schmus

Religion ist nicht mehr Privatsache. Seit den Anschlägen des 11. September ist oft von einem Kampf der Kulturen die Rede. Vor allem der Islam ist im Gerede: Mangelt es ihm an Humanität und Toleranz? Der barbarische Vollzug der islamischen Rechtsordnung und massive Menschenrechtsverletzungen in islamischen Ländern wecken zumindest Argwohn. Auch Christen denken neu darüber nach, wie das Gespräch mit dem Islam geführt werden muss – für einen „Dialog ohne Schmus“ plädiert Wilfried Steller.

Wilfried Steller ist Mitglied der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“ und Pfarrer in Fechenheim-Nord. Foto: Oeser

Angesichts einer weithin spürbaren Ablehnung des Islam befürchten die Kirchen ausländerfeindliche Übergriffe und eine Spaltung der Gesellschaft. Gegen Verunglimpfung und Verteufelung führen sie vage den „Dialog“ im Munde. Kirchengemeinden mühen sich um christlich-muslimische Verständigung und versuchen, dem Islam seine Fremdartigkeit zu nehmen.

Doch es liegen mehrere Fußangeln im christlich-muslimischen Dialog. In der ersten verfängt sich, wer nicht sieht, dass es „den“ Islam gar nicht gibt, sondern eine ganze Reihe zum Teil hart konkurrierender Richtungen. Es gilt also gut zu überlegen, mit wem man sich an einen Tisch setzt. Wenn undeutlich bleibt, für wie nötig es die Muslime selbst halten, ihre Religion transparenter zu machen, dann besteht die Gefahr, dass christliches Harmoniebedürfnis auf souveräne Hardliner trifft – keine gute Aussicht auf nachhaltigen Erfolg.

Die zweite Fußangel liegt da aus, wo die christliche Seite ihre Dialogfähigkeit überschätzt. In Diskussionen und auf Podien treffen in der Regel geschulte und zur Differenzierung fähige Fachleute aufeinander. Der Dialog auf der Straße sieht dagegen oft anders aus. Während Muslime eher klare Vorstellungen von ihrer Religion haben, ist bei den Christen eine religiöse Sprach-unfähigkeit, wenn nicht sogar ein Vakuum zu beklagen. Angesichts wenig überzeugter und daher auch wenig überzeugender Christen droht der Dialog einseitig zu werden – ironischerweise eine Bestätigung dessen, dass Juden und Christen vielen Muslimen als „Schutzbefohlene“ gelten, aber eben nicht als souveräne Gegenüber.

Die dritte Fußangel findet ihr Opfer, wo Christen im Ringen um Gemeinschaft mit den Muslimen das Thema Religion ausblenden. Manche christlichen Kindertagesstätten haben ihre konfessionelle Prägung aufgegeben, weil auch muslimische Kinder die Einrichtung besuchen, die man nicht vereinnahmen oder bevormunden will – mit dem fatalen Ergebnis, dass nun gar nichts Spezifisches mehr vom Christenglauben weitergegeben wird. Wo nur das Verbindende betont wird und das Trennende außer Acht bleibt, landet man am Haken. Es ist naiv, wenn Verharmloser der Gegensätze meinen: „Wir beten ja alle zu einem Gott“.

In der Tat wird man im Bekenntnis zum Monotheismus sowie im Bemühen um Frieden und Hingabe äußerliche Gemeinsamkeiten der Religionen finden – auch in deren kriegerischen Missbildungen im Übrigen. Aber es gibt wichtige Unterschiede: Muslime sehen den Menschen nicht als erlösungsbedürftigen Sünder, sondern halten ihn grundsätzlich für fähig, den Willen Gottes zu erfüllen. Dass Gott zum Menschen kommt, ist für sie nicht notwendig. Die christliche Dreieinigkeit Gottes sei daher entbehrlich und wird zudem leicht als Vielgötterei aufgefasst. Ein unzumutbarer und überflüssiger Gedanke ist es für sie denn auch, dass Gott Mensch geworden ist. Jesus wird lediglich als ein Prophet betrachtet. An der Bewertung von Jesus Christus scheiden sich also die Geister. Christen leiten von ihm das Verbot jeder Unterdrückung und Gewalt ab, die Achtung eines jeden Mitmenschen und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Vieles in den gegenwärtigen Ausprägungen des Islam muss ihnen daher unerträglich bleiben.

Ein christlich-muslimischer Dialog kann nur sinnvoll sein, wenn er mit offenen Augen geführt wird: mit dem Anspruch, dass in jeder der beiden Religionen eigenständige Positionen einander gegenüberstehen. Ohne Tendenz zur Vermischung und ohne naives und wohlmeinendes Verharmlosen oder Verschweigen von Gegensätzen. Aber mit Respekt und in liebender Annahme derjenigen, die etwas anderes glauben.

Gerade die unbequemen Fragen, die viele Menschen umtreiben, wollen auf beiden Seiten gestellt und ohne Schönfärberei beantwortet sein. Das Ziel des Dialoges darf sich nicht darin erschöpfen, dass man sich gegenseitig zu guten Menschen erklärt, sondern es geht darum, sich auch bei verschiedener Interessenslage über das Miteinander zu einigen. Dieses Ziel heiligt den Dialog. Wenn es dabei mit harten Bandagen zugeht, muss das kein Nachteil sein. Haupt­ sache, beiden Seiten ist mit den Ergebnissen gedient. Und ein offener Dialog ist allemal besser als Terror, Krieg und Unterdrückung.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Februar 2002 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.