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Von – 1. Februar 2002

Erst seit 1806 in Frankfurt gleichberechtigt

Nicht nur einzelne Menschen, auch soziale Organisationen wie eine Kirchengemeinde verfügen zuweilen über eine Biografie, die sie zu etwas Besonderem macht. Ein Beispiel dafür ist die Französisch-reformierte Gemeinde in der Eschersheimer Landstraße am Rande des Dichterviertels. Ihre Wurzeln reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück, als eine kleine Flüchtlingsgemeinde von Wallonen durch Beschluss des Rates der Stadt Frankfurt im Jahre 1554 aufgenommen wurde. Aus dem heutigen Belgien waren sie wegen ihres evangelischen Glaubens vertrieben worden und zunächst nach England, später nach Deutschland geflohen.

Schlichte Stuhlreihen, ein einfacher Tisch als Altar – in der reformierten Kirche verzichtet man weitgehend auf Bilder und Symbole, was zählt ist allein das Wort Gottes. Foto: Oeser

Die Verfassung der Gemeinde, die seit der damaligen Zeit mit geringen Veränderungen in Kraft ist, geht auf jene Ordnung zurück, die der Reformator Jean Calvin für die französische Flüchtlingsgemeinde in Straßburg ausgearbeitet hatte. Besondere Akzente werden dabei im Blick auf die demokratische Struktur, die Verantwortung der Laien und die Bedeutung des sozialen Handelns, der Diakonie, gesetzt. So ist zum Beispiel die integrative Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung ein wesentlicher Bestandteil des Gemeindeprofils. 1977 wurde hier der erste Integrative Kindergarten Hessens mit drei Gruppen eröffnet, 1985 eine Integrative Schule gegründet.

Erst 1806 wurde den Reformierten in Frankfurt die Gleichberechtigung in der Religionsausübung und damit das Recht auf eigene Kirchen und eigene Pfarrer zuerkannt. Zuvor prägten über Generationen hinweg Spannungen das Verhältnis zwischen Lutheranern und Reformierten. Diese Situation als geduldete Minderheit bestimmte lange Zeit das Leben der Gemeinde, die sich ihrerseits für Minderheiten einsetzte und zu einer Anlaufstelle für Glaubensflüchtlinge wurde. 1916 wurde die deutsche Sprache für Gottesdienst, Unterricht und Gemeindearbeit eingeführt, doch noch immer gibt es regelmäßig jeden zweiten Sonntag im Monat einen Gottesdienst in französischer Sprache.

Heute gehören rund 300 Mitglieder zur Französisch-reformierten Gemeinde, Tendenz leicht steigend. Nicht wie üblich der Wohnsitz entscheidet über die Mitgliedschaft, sondern der persönliche Wunsch, zu dieser Gemeinde zu gehören. „Wir nutzen die Chancen einer Freikirche und verbinden das mit einer aufgeklärten Theologie“, so Pfarrer Matthias von Kriegstein.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Februar 2002 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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Pfarrer Björn Uwe Rahlwes war lange Zeit Mitglied der Redaktion von „Evangelisches Frankfurt“. Danach wurde er Dozent am Religionspädagogischen Studienzentrum in Kronberg.