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Von – 1. Juli 2003

Ein Job für 1 Euro 50 – und neue Perspektiven

Bis zum Metzgermeister hat er es gebracht. In seinen besten Zeiten besaß er einen Imbisswagen. Er konnte von seinem Einkommen leben, war in der Nachbarschaft beliebt. Dann folgte Schlag auf Schlag. Jetzt ist Herr M. 56 und arbeitslos. Auf Anraten des Sozialrathauses bewirbt er sich um einen 1,50-Euro-Job in der Ökumenischen Schreinerwerkstatt in Frankfurt-Griesheim. Wer 25 Stunden – die maximal mögliche Stundenzahl – dort arbeitet, verdient 150 Euro im Monat, zusätzlich zu den 340 Euro plus Miete, die nach Hartz IV ein alleinstehender, als arbeitsfähig eingestufter Arbeitsloser erhält.

Am Anfang fällt es Herrn M. schwer, jeden Tag pünktlich in der Werkstatt zu erscheinen und bis Feierabend durchzuhalten. Diese Disziplin ist er einfach nicht mehr gewöhnt. Die Kollegen scheinen ganz nett, aber viele sprechen kein Deutsch, zur Zeit sind viele Russen in der Schreinerei. Immer wieder versucht Fachanleiter Norbert Mantel, ein Gespräch mit dem in sich gekehrten Mann anzufangen. Nach vier Wochen stellt sich heraus, dass er Schulden hat, die ihn sehr bedrücken. Sofort schickt Mantel ihn zur Schuldnerberatung, die es zum Glück im Haus gibt. Nach einigen Gesprächen scheint Herr M. wieder etwas Mut gefasst zu haben: Vielleicht ist doch noch nicht alles aus.

Zusammen mit den anderen sägt er jetzt jeden Tag Holzbuchstaben aus, schleift sie und lackiert sie – eine Arbeit, die auch jemand schnell erlernen kann, der vorher noch nie mit Holz gearbeitet hat. Die bunten Buchstaben sind für Kindergärten bestimmt – die Werkstatt in kirchlicher Trägerschaft produziert ausschließlich für soziale Einrichtungen.

„Die Arbeit mit Holz kann ja sehr befriedigend sein“, erklärt Norbert Mantel. „Vielen tut es einfach gut zu merken, dass sie selbst etwas herstellen können. Sie lernen etwas Handwerkliches. Aber vor allem gewöhnen sie sich wieder an grundlegende Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit, Disziplin – und auch daran, mal ein bisschen Druck im Arbeitsprozess auszuhalten. Ganz wichtig sind natürlich auch die sozialen Kontakte zu den Kollegen.“ Nach neun Monaten Schreinerei möchte Herr M. noch einmal um drei Monate verlängern – länger geht leider nicht.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Juli 2003 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".