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Aktuell

1. Dezember 2007

Ökonomie trifft Menschlichkeit

p(einleitung). Die Evangelische Hauskrankenpflege hat sich zum Dienstleistungsbetrieb gewandelt

Zeitgemäße Engel haben weder Flügel noch frönen sie dem Harfenspiel. Für frommes Gezupfe hätte Barbara Libbach auch gar keinen Sinn. Ihr Dienstplan bei der Evangelischen Hauskrankenpflege ist sehr irdisch und prall gefüllt. Wenn die Mehrzahl der Berufstätigen noch am Frühstück kaut, hat die examinierte Krankenschwester bereits rund ein Dutzend Diabetiker besucht und Insulinspritzen gesetzt. Danach stehen die sogenannten „Großpflegen“ auf ihrem Programm.

!(rechts)2007/12/seite10_oben.jpg(Straffer Zeitplan, aber mit gewissen Spielräumen: Krankenschwester Barbara Libbach von der Evangelischen Hauskrankenpflege versorgt Pflegebedürftige in den eigenen vier Wänden. | Foto: Rolf Oeser)!

Die erste Fahrt führt heute zu Wilhelmine Strauss. Eine Parkinsonerkrankung hat der 85-Jährigen Muskelkraft und Sprechvermögen geraubt. Neuerdings wird sie auch künstlich ernährt. Etwa 30 Minuten stehen Libbach für Waschen, Windeln, Wundversorgung und Mobilisationsübungen zur Verfügung. Wenn die zerbrechliche Seniorin schließlich angekleidet und frisiert im Wohnzimmer sitzt, tippt Libbach in ihr Handy die geleisteten Arbeiten ein. Am Abend wird sie wieder kommen – das gleiche Prozedere, nur umkehrt. Dazwischen sieht Wilhelmines Gatte Karl nach dem Rechten, so gut er es mit seinen 86 Jahren eben kann. Er würde jetzt gerne noch ein bisschen plaudern, von früheren Bergtouren mit seiner Frau erzählen oder von seinem Busfahrerleben. Aber für längere Gespräche bleibt Libbach keine Zeit. Auf sie wartet bereits der nächste „Kunde“.

Diesen Begriff empfindet die 44 Jahre alte Krankenschwester noch immer als gewöhnungsbedürftig. Verglichen mit den sonstigen Veränderungen ist der neue Terminus freilich eine Bagatelle. Die gemeinnützige Diakoniestationen GmbH, eine 100-prozentige Tochter des Evangelischen Regionalverbandes, hat sich in den vergangenen fünf Jahren zu einem professionellen Dienstleistungsbetrieb gemausert. Das belegt Geschäftsführer Helmut Ulrich am liebsten mit Zahlen: So habe sich der jährliche Zuschussbedarf aus Kirchensteuermitteln von vormals zwei Millionen Euro auf 680000 Euro verringert. Anvisiert ist, diesen Betrag nochmals zu halbieren.

Lange Zeit war es fraglich, ob der Wandel von der traditionellen „Gemeindeschwester“ hin zu einem Unternehmen, das unter betriebswirtschaftlichen Kriterien bestehen kann, gelingt – und auch, ob das überhaupt wünschenswert ist. Inzwischen wurden die früher sechs über die Stadt verteilten Diakoniestationen zum Evangelischen Pflegezentrum in der Battonstraße konzentriert, was in der Verwaltung zu immensen Einsparungen geführt habe, wie Ulrich vorrechnet.

Ein Übriges verdankt sich technischen Errungenschaften wie dem Mobiltelefon. Daniela Höfler-Greiner, die Leiterin der Hauskrankenpflege, möchte darauf nicht mehr verzichten. Die 58 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind via Handy fortwährend mit der Zentrale vernetzt, rufen auf diese Weise ihre Dienstpläne ab und leiten nach jedem Hausbesuch die Abrechnungsdaten weiter. Da weiß sie als Pflegedienstleiterin über Unplanmäßiges sofort Bescheid. Und noch immer gewähre der straffe Zeitplan auch Spielräume für Dinge, die nicht vorgesehen sind. Barbara Libbach nutzt sie bisweilen, um ein Medikament aus der Apotheke zu holen oder um länger zu bleiben, falls es ihr wichtig scheint. Auch wenn sie dadurch in Verzug gerät. Der ständige Widerstreit zwischen Ökonomie und Menschlichkeit sei eben die „Achillesferse“ ihres Berufs.

Den Spagat zwischen hohem ethischen Anspruch und niedrigen Pflegekassesätzen übt auch Ulrich Tag für Tag. Während die Tarife seit zwölf Jahren stagnierten, sei die Flut an Bürokratie beträchtlich angeschwollen. Für die so genannte „Großpflege“ zum Beispiel werde eine halbe Stunde mit 17,50 Euro Vergütung anberaumt, so Ulrich. Da wundere es kaum, dass die meisten Pflegedienste weniger als fünfzig Prozent Fachpersonal beschäftigen. In der Evangelischen Hauskrankenpflege dagegen seien noch zwei Drittel examinierte Krankenschwestern tätig. „Das ist unser absolutes Plus.“

p(autor). Doris Stickler

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Dezember 2007 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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