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Aktuell

1. September 2008

Gotteshäuser der anderen besuchen

p(einleitung). Begegnungsabende sollen in Frankfurt Pfarrer und Pfarrerinnen mit Imamen und muslimischen Theologinnen ins Gespräch bringen.

Ob sie als gläubige Muslimas überhaupt eine Kirche besuchen dürfen? Dumme Frage: „Selbstverständlich, nirgendwo im Koran steht etwas anderes geschrieben“, sagen Fatima und Chadiga und lachen. Die beiden Frauen mit um den Kopf geschlungenen Tüchern stehen vor dem Frankfurter Dom und schauen sich erwartungsvoll um. Nach und nach treffen weitere muslimische Glaubensgeschwister ein, viele von ihnen tragen die traditionellen Gewänder ihrer Heimat. Ein denkwürdiges Ereignis steht bevor: Zum ersten Mal wollen Imame, Moscheevorstände und Mitglieder islamischer Dachverbände zusammen mit katholischen und evangelischen Seelsorgerinnen und Seelsorgern ein christliches Gotteshaus besichtigen und danach gemeinsam zu Abend essen – ganz zwanglos, einfach um sich gegenseitig besser kennen zu lernen.

!(rechts)2008/09/seite10_oben.jpg(Was ist das Besondere einer christlichen Kirche? Frankfurter Imame und muslimische Theologinnen besuchten gemeinsam mit christlichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern den Dom. | Foto: Rolf Oeser)!

Die Idee dazu hatten drei „Professionelle“ des christlich-muslimischen Dialogs: Pfarrerin Ilona Klemens, zuständig für den interreligiösen Dialog der evangelischen Kirche, ihre katholische Kollegin Brigitte Sassin sowie Moustafa Shahin vom Deutsch-Islamischen Vereinsverband Rhein-Main. Rund fünfzig Imame und Moscheevorstände hatten ihr Kommen zugesagt. Sie sind pakistanischer, marokkanischer, arabischer oder türkischer Herkunft, stammen aus Afghanistan, Bosnien und Albanien. Von evangelischer und katholischer Seite hatten sich jeweils 17 Pfarrerinnen und Pfarrer, Priester und Pastoralreferentinnen angemeldet.

Dem Dommuseumsdirektor August Heuser kam die Aufgabe zu, das Charakteristische einer christlichen Kirche zu erklären: „Der Turm macht das Gotteshaus weit sichtbar und die Glocken rufen zum Gebet, wie es auch der Muezzin vom Minarett einer Moschee macht.“Vor dem Altar ging er auf die Dreifaltigkeit, Liturgie und Orgel ein, und auch die Frage nach den vielen Bildern in christlichen Gotteshäusern blieb nicht unbeantwortet: „Im Islam ist es verboten, sich ein Bild von Gott zu machen, die Christen konnten sich über das Abbildungsverbot hinwegsetzen, weil Jesus in Menschengestalt auf Erden weilte.“

„Ich sehe und fühle mit Respekt, dass ich in einem Gotteshaus bin“, sagte die islamische Religionsgelehrte Hanan Ahmed, Absolventin der Al Azhar-Universität in Kairo. „Schön und eindrucksvoll“ beschreibt Imam Nasir Quayyum vom islamischen Kulturzentrum Minhaj-ul-Qurun sein Erleben. Für Moustafa Shahin als Vertreter eines Verbandes von 32 Moscheevereinen im Rhein-Main-Gebiet ist die Dombesichtigung noch aus einem anderen Grund von Bedeutung: „Viele Muslime scheuen sich, ein christliches Gotteshaus zu betreten. Doch wenn sie sehen, dass ihr Imam damit kein Problem hat, lassen sie auch zu, dass ihre Kinder zum Beispiel bei Schulausflügen eine Kirche besichtigen. Die Berührungsängste sinken.“

„Auch die Katholiken sind nicht immer in Frankfurt heimisch gewesen, sondern zugewandert“, erinnerte Stadtdekan Raban Tilman in seinem Grußwort in Anspielung auf die Tatsache, dass der
lutherische Magistrat die katholische Religionsausübung in Frankfurt nach der Reformation verboten hatte. „Diese Stadt braucht die Verständigung zwischen den Religionen, und die Seelsorger sollten vorangehen“, betonte die evangelische Pröpstin Gabriele Scherle. Weitere Treffen sollen den christlich-islamischen Dialog vertiefen: im September zu Beginn des Ramadan werden die Musliminnen und Muslime in eine Moschee einladen. Ende des Jahres folgt dann der Besuch in einer evangelischen Kirche.

p(autor). Anne-Rose Dostalek

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. September 2008 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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