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Von – 1. Oktober 2008

Die Fenstermacherin

Lina von Schauroth schuf in Frankfurt zahlreiche Mosaike und Kirchenfenster. Ihr eigenwilliges Leben und Schaffen ist nun – neben dem anderer berühmter Frankfurterinnen – in einem Sammelband beschrieben.

Glasfenster von Lina von Schauroth in der Alten Nikolaikirche am Römerberg. Foto: Rolf Oeser

Wenn die Sonne hoch im Süden steht, kommen die leuchtenden, kraftvollen Malereien der Glasfenster in der Alten Nikolaikirche auf dem Römerberg am besten zur Geltung: Maria auf der Flucht nach Ägypten, eingehüllt in einen tiefblauen Mantel. Die Kreuzigung Jesu, Anbetung und Auferstehung. Nur wenige kennen die wechselvolle Geschichte dieser Malereien und ihrer Schöpferin, der Frankfurter Künstlerin Lina von Schauroth.

(Das Christusfenster in der Alten Nikolaikirche am Römerberg. Die Frankfurter Künstlerin Lina von Schauroth hatte es 1922 für eine Trauerkapelle der Familie von Weinberg geschaffen. Die Weinbergs mussten wegen ihrer jüdischen Herkunft vor den Nationalsozialisten ins Exil fliehen. Schauroth rettete die Fenster vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, der ansonsten viele ihrer Werke vernichtet hat. Als Anfang der 1950er Jahre die Alte Nikolaikirche am Römerberg wieder aufgebaut wurde, fügte sie sie dort ein. Foto: Rolf Oeser

Edith Dörken, Architektin und Stadtführerin, hat der Schauroth ein Kapitel in ihrem neuen Buch „Berühmte Frankfurter Frauen“ gewidmet. Bei der Buchvorstellung unter den leuchtenden Nikolai-Fenstern entwarf sie das Lebensporträt einer „Grande Dame der Frankfurter Gesellschaft“, einer „hochbegabten, vielseitig talentierten Künstlerin und starken, unabhängigen Frau“.

Ohne Ecken und Kanten ist diese Lebensgeschichte jedenfalls nicht. Lina von Schauroth, 1874 geboren, war stark von der wilhelminischen Zeit geprägt. Im Ersten Weltkrieg setzte sie ihre Plakatkunst und Bildhauerei für patriotische Propagandazwecke ein und blieb bis an ihr Lebensende eine Anhängerin der Monarchie und „preußisch-protestantischer“ Tugenden. Sie starb erst 1970, im hohen Alter von 96 Jahren.

Aber Lina von Schauroth war auch eine befähigte und mit starkem Willen ausgezeichnete Künstlerin, die einen ganz besonderen Stil entwickelte. Fasziniert von der Glasmalerei und dem Glasschliff schmückte sie nicht nur Kirchen – neben der Alten Nikolaikirche in Frankfurt auch noch die Kreuzkirche in Preungesheim und die Martinuskirche in Schwanheim – sondern ebenso Büro- und Verwaltungsgebäude, Bahnhöfe, Treppenaufgänge und Restaurants mit ihren Glasfenstern, Friesen und Mosaiken. Besonders berühmt war der „Sternenhimmel“ im Frankfurter IG-Farben-Gebäude, der allerdings im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Schon als Mädchen fiel das künstlerische Talent der jungen Lina auf. Als Tochter des wohlhabenden Frankfurter Bauunternehmers Philipp Holzmann erhielt sie guten Zeichen- und Malunterricht. Mit 21 Jahren heiratete sie einen preußischen Offizier, Hans von Schauroth, und führte das Leben einer exzentrischen, selbstbewussten und pferdeverliebten Offiziersgattin. Nach dem frühen Tod ihres Mannes nahm sie ihre künstlerischen Studien wieder auf, wurde Plakatkünstlerin mit dem Schwerpunkt Tierdarstellungen, erlernte die Bildhauerei und die Glasschleiffkunst.

Von Schauroths Werken haben die wenigsten den Zweiten Weltkrieg überdauert. Selbst ihr Atelier fiel 1944 in Schutt und Asche. Doch Lina von Schauroth setzte auch in der Nachkriegszeit ihre künstlerische Arbeit fort und beteiligte sich am Wiederaufbau. 1948 schuf sie die Fenster der Martinuskirche in Schwanheim und 1951 dann die der Alten Nikolaikirche am Römerberg. Zeitgenossen bewunderten die Energie und Disziplin, mit der Lina von Schauroth auch im Alter von 77 Jahren noch jeden Tag persönlich auf der Baustelle erschien und den Einbau ihrer Kunstwerke überwachte.

Die Fenster im Chor hatte sie neu konzipiert, die leuchtenden Glasmalereien auf der Süd- und Westseite waren dagegen Frühwerke, die Schauroth bereits 1922 für eine Trauerkapelle der befreundeten Familie der von Weinbergs geschaffen hatte. Die Familie war zwar evangelisch, aber jüdischer Herkunft und musste vor den Nationalsozialisten ins Exil fliehen. Schauroth bewahrte die Fenster vor der Zerstörung und baute sie dann später in der Alten Nikolaikirche ein. Sie zeugen also nicht nur von der Darstellungskraft ihrer Schöpferin, sondern auch von einem leidvollen Kapitel der jüngeren Geschichte.

Edith Dörken, Berühmte Frankfurter Frauen, Lembeck Verlag, 13 Euro.

 

 

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Oktober 2008 in der Rubrik Kultur, Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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