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Von – 1. Oktober 2008

Evangelischer Flickenteppich

Ein evangelisches Ehepaar, das in Enkheim wohnt, aber zur zwei Kilometer südlich gelegenen Fechenheimer Gemeinde gehören möchte, merkt kaum, dass es damit gleich die Landeskirche wechselt. Enkheim liegt nämlich im Bereich der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), während Fechenheim zur Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gehört.

Wer die Karte der 23 evangelischen Landeskirchen Deutschlands betrachtet, kann sich auf Anhieb nur schwer orientieren. Man hat die Assoziation eines Flickenteppichs und wird an eine Landkarte mit deutschen Fürstentümern erinnert. Das ist kein Zufall, denn in der Reformation wurde festgelegt, dass der Landesherr die Konfession seiner Untertanen bestimmen konnte. Dieses Prinzip wurde erst im 19. Jahrhundert aufgehoben, sodass die heutigen Landeskirchen zum Teil noch die Grenzen des 19. Jahrhunderts widerspiegeln und kaum mit den Grenzen der Bundesländer übereinstimmen.

Die heutige EKHN (zu der außer Bergen-Enkheim ganz Frankfurt gehört) ist aus den drei evangelischen Kirchen im Herzogtum Nassau, im Großherzogtum Hessen und in der freien Stadt Frankfurt hervorgegangen, die 1933 auf Druck der Nationalsozialisten zusammengelegt worden waren. Als 1947 dann die EKHN gegründet wurde, blieb es bei diesem Gebiet. Es reicht von Bromskirchen nordwestlich von Marburg bis Neckarsteinach im Süden, von Lahnstein im Westen bis Fraurombach im östlichen Vogelsberg. Das Hauptgebiet liegt innerhalb Hessens. Mainz und der Rheingau liegen in Rheinland-Pfalz, und der nördlichste Zipfel ragt hinein nach Nordrhein-Westfalen. Ein von EKHN-Territorium umschlossenes Gebiet um Wetzlar herum gehört umgekehrt zur Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR).

Kommunikation ist Programm in diesem Gebilde: Man konferiert und kooperiert zum Beispiel ständig mit zwei Landesregierungen. Und man muss die Balance halten zwischen verschiedenen Frömmigkeitsrichtungen, die mit den einst selbstständigen Landeskirchen eingeflossen sind: Im Nordwesten ist der Einfluss des Pietismus noch immer spürbar, in den großen Städten gibt es eine liberale volkskirchliche Tradition. Dazu kommen Unterschiede zwischen reformierten, unierten und lutherischen Gemeinden – hört sich kompliziert an, aber die EKHN versteht diese Mischung als Reichtum evangelischer Meinungsvielfalt.

 

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Oktober 2008 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.