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1. April 2009

Das Abschiedsessen

p(einleitung). Die schönsten Erinnerungen von Gemeinschaft sind oft mit gemeinsamen Mahlzeiten verbunden – von der Familienfeier bis zum festlichen Dinner zu zweit. Auch im Christentum ist das so: Gründonnerstag erinnert an das letzte Essen zusammen mit Jesus.

!(rechts)2009/04/seite07_rechts.jpg(Dagmar Kreider ist Pfarrerin in der Nordweststadt. | Foto: Ilona Surrey)!

Erinnern Sie sich an ein schönes gemeinsames Essen mit Freunden, in der Familie, zu zweit? Ein Essen, das Ihnen noch lange danach immer wieder das Gefühl gab: Das war schön! Solche gemeinsamen Mahlzeiten gibt es nicht so oft. Es muss viel zusammenkommen, damit die Atmosphäre stimmt, sich gute Gespräche entwickeln und das Essen wirklich schmeckt.

Wodurch wird eine Mahlzeit zu solch einem wirklich intensiven Erlebnis von Gemeinschaft? Meine Erfahrung ist, dass sich das Besondere spontan ereignet und sich nicht erzwingen lässt. Es kann gelingen, wenn das Alltägliche in den Hintergrund tritt und wir aufmerksam sind für die Situation und das Gegenüber. Doch es ist nicht planbar, sondern eher wie ein Geschenk. Aber wenn es gelingt, dann bleibt die Erinnerung an solche Augenblicke oder Stunden lange in uns lebendig und gibt ein gutes Gefühl.

Leider werden in der heutigen Zeit gemeinsame Mahlzeiten immer seltener – das erlebe ich auch selbst. Von beruflichen Belastungen und vielen anderen Faktoren her ist das verständlich. Und doch ist es schade. Verliert das Leben doch dadurch jene intensiven Augenblicke, die froh machen, erheben, den Körper und den Geist nähren und uns Menschen über unsere Begrenzungen hinaus führen.

!(kasten)2009/04/seite07_unten.jpg(Abendessen am Tisch mit Jesus – in diesem Straßencafé in Dublin scheint das fast möglich zu sein. Die Wandverkleidung zeigt eine Variation auf das berühmte Abendmahls-Bild von Leonardo da Vinci, und die Tische sind so angeordnet, dass der Eindruck entsteht, die Gäste seien mit dabei. | Foto: epd-Bild / Monica Gumm)!

Wie wichtig das gemeinsame Essen ist, wird ja auch daran deutlich, dass viele familiäre Anlässe und sogar berufliche Treffen mit gemeinsamem Essen verbunden sind. Eine Feier zum Geburtstag oder zum Jubiläum lässt sich doch gar nicht ohne „Festessen“ vorstellen.

Auch in der Bibel gibt es etliche Geschichten, die von gemeinsamem Essen erzählen, von Mahlzeiten, bei denen eine ungewohnte Intensität erlebt wird. Da in wenigen Wochen Ostern gefeiert wird, fällt mir besonders das letzte Essen ein, das Jesus zusammen mit den ihm vertrautesten Menschen eingenommen hat. Es war ein jüdisches Festessen, das Sedermahl, das an die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten viele Jahrhunderte zuvor erinnerte. Eine Mahlzeit also, bei der neben der Erinnerung an Leid und Schmerzen auch die Erinnerung an Gottes Bewahrung und an einen Aufbruch in die Freiheit stand.

Für die Jüngerinnen und Jünger war es sicher eine intensive Erfahrung, ein solches religiöses Festmahl mit Jesus zusammen zu erleben. Viele Geschichten der Bibel erzählen davon, wie zwischen Jesus und anderen Menschen leicht ein starkes Gefühl von Nähe und wirklicher Gemeinschaft entstanden ist. Aber dann bekam dieses spezielle Essen unerwartet eine neue Bedeutung: Dadurch, dass Jesus in der darauf folgenden Nacht gefangen genommen wurde, war es im Rückblick zum letzten gemeinsamen Mahl geworden. Zu einem Abschiedsessen.

Am Gründonnerstag erinnern sich christliche Gemeinden an dieses „letzte Abendmahl“ und rufen damit auch jene intensive Erfahrung von Gemeinschaft wach, die Jesus und seine Freunde und Freundinnen miteinander erlebten. Meist geschieht dies, indem in einem Gottesdienst ein Mahl gefeiert wird: ein Agape-Mahl mit leckeren Speisen, Liedern und Gesprächen, oder auch ein rituelles Abendmahl mit Brot und Wein oder Saft.

Ob es bei einer solchen Feier dann tatsächlich geschieht, dass die Anwesenden selbst intensive Gemeinschaft erleben, ist für ein gottesdienstliches Mahl genauso wenig vorherzusagen wie für ein Abendessen in der Familie, unter Freunden oder Kolleginnen. Christen und Christinnen erklären diese „Unverfügbarkeit“ so, dass die Mitte jeder intensiven Erfahrung von Gemeinschaft die alles verbindende göttliche Gegenwart ist. Solche Augenblicke sind selten und kostbar, aber sie bleiben im Gedächtnis und stärken im Inneren, auch wenn sie äußerlich vergänglich sind.

p(autor). Dagmar Kreider

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. April 2009 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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