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Von – 1. April 2009

Wieso „für uns gestorben“?

Aus historischer Sicht wurde Jesus von den Römern als potentieller Messiasanwärter, als Aufständischer also, hingerichtet. Die Römer waren Besatzer in Palästina, der Hass der jüdischen Bevölkerung schlug ihnen entgegen, und sie fürchteten Überfälle und Aufstände. Ihre kulturelle Empathie dürfte etwa so gering gewesen sein wie die der Amerikaner im Irak. Daher statuierten sie Exempel und erstickten jeden Widerstand im Keim, zum Beispiel durch Massenkreuzigungen.

Jesus war da nur einer unter vielen. Die jüdische Führung hatte ihn an die römische Gerichtsbarkeit übergeben, weil er ihre Kreise störte. Seine Botschaft passte nicht in das mehrheitliche jüdische Erwartungsspektrum: Man hoffte auf einen finalen Befreiungsschlag, und Jesus enttäuschte mit seiner Liebesbotschaft diese Erwartung. Er drohte als lehrender und umherziehender Rabbi Instabilität in die jüdischen Reihen zu bringen. Mit falschen Worten zur falschen Zeit am falschen Ort fiel Jesus also den Gewaltstrategien beider Seiten zum Opfer.

Die Jesusbewegung wäre normalerweise mit der Hinrichtung ihres Anführers am Ende gewesen. Doch sie bekam völlig unerwarteten Auftrieb durch die zahlreichen Bezeugungen von Jesu Auferstehung. Seine Anhängerinnen und Anhänger sehen darin Gottes Bestätigung, die Auferstehung verhilft Jesus und seiner Verkündigung der Liebe Gottes zeitlose Gültigkeit: Gott durchkreuzt mit der Auferstehung die Gewalt des Bösen und zeigt jenseits allen politischen und menschlichen Kalküls einen Weg zum Leben, der von Gottes Willen geprägt ist. Wenn man die Geschichte rein historisch betrachtet, bedeutet Jesu Tod ein Scheitern. Doch dem auf Gott bezogenen Denken seiner Anhänger und Anhängerinnen zeigt sich durch das Studium der Heiligen Schriften paradoxerweise gerade in diesem Tod das Heil für die Welt.

Ausgangspunkt ist die große Liebe Gottes zu seinem erwählten Volk, der die Menschen nicht gerecht werden: Die Menschen suchen ihren Vorteil, vergessen Gott, sind sündig – sprich: Sie können vor Gott nicht bestehen, sie bleiben unendlich fern von ihm. Von sich aus können sie nie und nimmer die Gemeinschaft mit Gott erlangen. Gott steckt nun sozusagen in der Zwickmühle: Einerseits liebt er die Menschen, die er ja selbst geschaffen hat, und will sie bei sich haben. Andererseits steht Gott aber für absolute Gerechtigkeit – deshalb muss der sündige Mensch um der Gerechtigkeit willen sterben. Gott löst diesen Konflikt, indem er selbst in Jesus Christus stirbt und so der Gerechtigkeit Genüge tut: Um der Liebe willen stirbt ein Unschuldiger für alle, die es verdient hätten. So eröffnet Gott den Menschen einen Weg zu sich, indem er ihnen den Mantel der Gerechtigkeit umhängt. Das ist kein Selbstbetrug, denn Kleider machen Leute: Wenn der Sünder und die Sünderin für Gott als gerecht durchgehen, dann werden sie sich des für sie bezahlten Preises und der Gnade bewusst sein, werden mehr aus dieser Gnade und der Liebe heraus leben als aus ihrem Sündersein, und unverbrüchlich zu Gott gehören.

 

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. April 2009 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.