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Von – 1. Oktober 2009

Kleine Schwester Andacht

Die Pfarrerin will eine Andacht halten, wenn sie zum 85. Geburtstag der Oma kommt. Ob man da etwas vorbereiten muss? „Das ist sicher etwas Frommes“, denkt der Sohn, und die Enkelinnen mutmaßen gar etwas Langweiliges, das die Feier stört.

Andachten sind die kleinen und höchst flexiblen Schwestern des erwachsenen Gottesdienstes. Während letzterer meist zu festen Zeiten in einer Kirche stattfindet, einer bestimmten Form folgt und eine Dreiviertelstunde bis eine gute Stunde dauert, sind Andachten in alledem völlig frei. Es sind Momente bis Minuten des Innehaltens, des Zur-Ruhe-Kommens, der Konzentration, des Nachdenkens, der Meditation, eines Impulses.

Wie das Nickerchen wieder munter macht, so ist die Andacht eine kurzzeitige Unterbrechung des Alltags, ein Auftanken für die Seele, ein Besinnen auf das Heilige, um innerlich gestärkt zu werden. Etwas wird angedacht, es wird an Gott gedacht, und es fließt Kraft dabei.

Andachten kann es überall geben, nicht nur in der Kirche, und zu jeder Tageszeit: vor der Sitzung des Kirchenvorstandes als Einstimmung, ganz privat zum Bilanzieren am Tagesabschluss, zu einem Jubiläum im größeren Kreis, oder weil einem oder mehreren gerade danach ist. Schön ist es, wenn ein kleiner äußerlicher Akzent die Innerlichkeit begleitet: eine Kerze, ein weißes Tischtuch, ein besonderer Gegenstand, ein Kreuz, ein Bild – das hilft ungemein beim Innehalten, weil es auch die Blicke festhält.

Der Hauptbestandteil einer Andacht kann ein kurzer vorgelesener Text sein, eine kleine Ansprache, die Betrachtung eines Bildes, ein Gedicht, eine Gesprächsrunde über ein Bibelwort, ein stilles Meditieren – um nur Beispiele zu nennen. Die Andacht ermöglicht Kreativität in Form und Inhalt. Oft gehören Gebete und Lieder dazu, und manchmal sind ein einzelnes Bibelwort, ein Lied und ein Gebet schon genug. Einige Andachten sind im Blick auf den Gottesdienst schon Halbwüchsige: die Passionsandachten in vielen Gemeinden etwa oder die Montagmorgen-Andachten in der Heiliggeistkirche um 8.30 Uhr.

Zur großen Freiheit bei den Andachten gehört es nicht zuletzt, dass ihre Leitung nicht wie beim Gottesdienst den Pfarrpersonen, Prädikantinnen und Lektoren vorbehalten ist. Hier gilt also das Priestertum aller Gläubigen ganz wörtlich.

 

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Oktober 2009 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.