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Aktuell

1. Oktober 2009

Politische Musik mit Leidenschaft

p(einleitung). Die Reihe „Kultur im Ghetto“ brachte Jazz aus Südafrika nach Frankfurt

Kreischende Glissando-Effekte, virtuose Doppelgriffe, geschlagene Saiten und geklopftes Holz mochten klanglich illustrieren, wie Stephen Biko, der südafrikanische Freiheitskämpfer, 1977 im Polizeigefängnis gefoltert wurde. Kontra-Bassist John Edwards nutzte in „Song for Biko“ während seines Soloparts seine gesamten gestalterischen Möglichkeiten und Ausdrucksweisen, um die Qualen, die der Mann aushalten musste, musikalisch herauszuarbeiten. Ansonsten klang ausgerechnet dieser Song des südafrikanischen Komponisten, Bandleaders und Bassisten Johnny Dyani, dem das Konzert „Jazz gegen Apartheid“ in der Cyriakuskirche gewidmet war, recht melodisch und rhythmisch eingängig.

!(kasten)2009/10/seite06_oben.jpg(Der Jazztrompeter Claude Deppa und der Vibraphonist Christopher Dell gehörten zu den Musikern, die in der Cyriakuskirche südafrikanischen Jazz zu Gehör brachten. | Foto: Rolf Oeser)!

Dass der 1945 in East London, Südafrika, geborene und 1986 in Berlin verstorbene Musiker eine Lichtgestalt des modernen Jazz war, verdeutliche das Rödelheimer Konzert, gestaltet von einem aus international renommierten Jazzmusikern bestehenden Septett, später am Abend um einen weiteren Saxophonisten erweitert. In seinen Arbeiten, gleichsam auch die Geschichte des leidenschaftlichen Kampfes gegen die Apartheid bedeutend, durchmaß Dyani kompositionstechnisch virtuos die Stile des modernen Jazz: Bebop, Free und Hardbop.

Nachzuhören beim ersten Stück des Konzerts, das auch akustisch durch die architektonische Eigenheit des Gotteshauses ein Hochgenuss war. Auf einem Bass-Ostinato bauen sich flirrende Trompetentöne auf, dann setzt ein klanglich attraktives polyphones Bläserthema ein, und nach und nach können die Solisten in kunstvollen, am modalen Jazz geschulten Improvisationen glänzen. Hervorragend hier die ungemein agile und im Timing präzise arbeitende Rhythmusgruppe mit Schlagzeuger Makaya Ntshoko, der auch zu Lebzeiten mit Johnny Dyani arbeitete, und dem erwähnten Bassisten Edwards. John Tchicai und Daniel Guggenheim an den Tenorsaxophonen demonstrierten ihre Virtuosität im zweiten Stück des Abends, das auf so genanntem Call- and Response, also Ruf- und Antwort-Schema basierte und die hohe Kunst des lustvollen Improvisierens vorstellte.

Besonderes Schmankerl des Konzerts waren die Beiträge des Vibraphonisten Christopher Dell, der mit seinem jeweils mit zwei Klöppeln pro Hand geschlagenen Spiel die Stücke adelte, deren Ausdrucksmöglichkeiten von der Xhosa-Volksmusik bis in den Bereich des Free Jazz führen. „Portrait of Mossa“ war vielleicht der Höhepunkt des gut besuchten Konzerts. Allein die Flügelhorn-Improvisation des sich über knapp zwanzig Minuten erstreckenden Stückes verzückte die Besucher. Harry Beckett (Trompete), Claude Deppa (Trompete und Flügelhorn), zudem der junge Saxophonist Felix Jansen als Gast komplettierten die Band, die mit diesem gelungenen Programm Werbung für Jazz made in Südafrika machte.

p(autor). Joachim Schreiner

h2. Von Trotta verfilmte das Leben der Hildegard von Bingen

!(rechts)2009/10/seite06_unten.jpg(Hildegard von Bingen erklärt den anderen Nonnen die Wirkung von Heilkräutern: Szenenfoto mit Barbara Sukowa. | Foto: Concorde-Film)!

Eigentlich ist sie eine Regisseurin für politische Themen: Das Leben von Gudrun und Christiane Ensslin hat sie ins Kino gebracht, das von Rosa Luxemburg und den Widerstand der Frauen von der „Rosenstraße“. Da mag es erstaunen, dass sich Margarete von Trotta in ihrem neuesten Film ausgerechnet das Leben einer Nonne vorgenommen hat, noch dazu einer, die vor fast tausend Jahren lebte.

Doch die Art und Weise, wie sie in „Vision“ das Leben der Hildegard von Bingen erzählt, macht die Wahl plausibel. Nicht nur die Hauptdarstellerin lässt an der Kontinuität keinen Zweifel – Barbara Sukowa verkörperte auch schon die an Gudrun Ensslin angelehnte Figur der Marianne sowie die Rosa Luxemburg früherer Trotta-Filme. Genau wie sonst geht es der Regisseurin auch diesmal um die Zweifel und die Stärken von Frauen, die sich innerhalb männerdominierter Strukturen bemühen, einen sinnvollen und wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Welt zu leisten.

Hildegard von Bingen lebte im 11. Jahrhundert und gilt als eine der frühesten Vertreterinnen der mittelalterlichen deutschen Mystik. Als Mädchen wird sie ins Benediktinerkloster Disibodenberg am Rhein gegeben, wo sie später Vorsteherin des Frauenteils wird. Sie empfängt Visionen, die sie auch publiziert. Außerdem studiert Hildegard die antike Philosophie und erforscht die Wirkung von Heilpflanzen. Gegen den Willen des Abtes gründet sie ein Frauenkloster auf dem Rupertsberg. Sie ist zu Lebzeiten eine anerkannte Wissenschaftlerin und theologische Lehrmeisterin, die mit den Berühmtheiten ihrer Zeit korrespondiert.

Von Trotta gelingt das Kunststück, den Lebensweg der Hildegard sehr originalgetreu nachzustellen und doch gleichzeitig aktuell zu halten. Sie widersteht der Versuchung, aus Hildegard von Bingen eine „moderne“ Frau mit emanzipatorischen Ambitionen zu machen, sondern sie zeichnet sie als das, was sie wohl war: Eine tief religiöse Nonne, die ihren Glauben an Gott sehr ernst nahm. Dass Hildegard gleichzeitig eine starke Frau war, die für das, was ihr wichtig war, auch Konflikte mit den Mächtigen nicht scheute, ist zu ihrer Frömmigkeit überhaupt kein Widerspruch, im Gegenteil.

Die Figur der Hildegard, aber auch die ihrer lebenslangen Freundin Jutta (Lena Stolze) oder ihrer jungen Bewunderin Richardis (Hannah Herzsprung) laden zur Identifikation ein; gleiches gilt für ihren treuen Freund und Unterstützer, Bruder Volmar (grandios gespielt von Heino Ferch). Und so vergisst man als Zuschauerin oder Zuschauer trotz all der Kostüme, Klostermauern und Mönchstonsuren immer wieder, dass man sich hier eigentlich im tiefsten Mittelalter befindet.

p(autor). Antje Schrupp

h2. Bachvespern verbinden Musik und Andacht

Die Vokabel ist eigentlich von den Medien geprägt worden, wird aber von Michael Graf Münster, dem Landeskirchenmusikdirektor der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, auf eine gut eingeführte Konzerttradition gemünzt: „Bachvespern sind eine Verbindung von jeweils einer Bachkantate und einem Gottesdienst“, erläutert der Leiter der Veranstaltung, die eine Kooperation zwischen der evangelischen Landeskirche und der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HMDK) ist – ein „Format“, das sich bewährt habe.

Was die Dimension der Bachkantaten betrifft, so vergleicht der Dirigent die insgesamt 200 Werke mit Richard Wagners „Ring“-Zyklus. „Die Bachkantaten sind Weltkulturerbe“, schwärmt Graf Münster. Die Reihe wird seit 2005 gepflegt und jeweils in der Frankfurter Katharinenkirche sowie der Marktkirche in Wiesbaden aufgeführt. Inzwischen gab es bereits fünfzig Konzerte.

Die Mitwirkenden sind die Kantorei St. Katharinen und die Schiersteiner Kantorei, die aus ihren Mitgliedern den Chor mit jeweils etwa 25 Sängerinnen und Sängern stellen. Die Instrumentalisten des Bach-Collegiums Frankfurt-Wiesbaden sind erstrangige Mitglieder der Frankfurter und Wiesbadener Orchester. Zudem spielt das Freiburger Barockensemble „Parnassi musici“ und das Barockorchester der HMDK „Febiarmonici“. Als Vokalsolisten und -solistinnen singen Lehrkräfte und Studierende der HMDK.

„Als Dirigent prägen einen die Aufführungen von Bachkantaten auf Lebenszeit“, so Graf Münster. „Besonders die aufwändigen Mittelstimmen müssen mit Emphase gemeistert werden.“ Einen weiteren Aspekt betont Gabriele Scherle, Pröpstin für Rhein-Main: „Das Einbinden der Kantate, die ja einen geistlichen Text transportiert, in den Gottesdienst ist für mich ein Medium der Gottesbegegnung“, sagt die Theologin.

Professor Thomas Heyer, Gesangslehrer an der HMDK, freut sich durch die Zusammenarbeit mit der Landeskirche zum einen über die Außenwirkung seiner Institution, aber auch jeweils darauf, bei der Aufführung „unterschiedliche Koloraturen und Klangfarben herauszuarbeiten“. Professor Martin Lücker schließlich, Kantor und Organist an Sankt Katharinen, betont, dass es bei den Vespern möglich sei, die Beziehung zu den theologischen und liturgischen Inhalten erfahrbar zu machen. „Das Unbegreifliche an Bach ist auch die rein quantitative Dimension seines Schaffens bei durchgehend höchster kompositorischer Qualität.“

Die nächste Bachvesper „Jauchzet Gott in allen Landen“ erklingt am Samstag, 31. Oktober, um 17.30 Uhr in der Katharinenkirche an der Hauptwache.

p(autor). Joachim Schreiner

Artikelinformationen

Beitrag veröffentlicht am 1. Oktober 2009 in der Rubrik Ethik, Kultur, erschienen in der Ausgabe .

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