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Von – 1. Februar 2010

Strippenzieher der Reformation

Mit zwölf in Heidelberg immatrikuliert, mit 13 das erste Examen in der Tasche, mit 17 Magister und mit 21 Wittenberger Universitätsprofessor: Philipp Melanchthon war wohl ganz nach dem Geschmack heutiger Bildungspolitiker. Mit 23 landete er einen genialen Wurf als Verfasser der ersten systematischen Darstellung der reformatorischen Theologie und war damit Schöpfer einer neuen wissenschaftlichen Literaturgattung. Und er verstand sich nicht nur auf alte Sprachen, Philosophie und Theologie, sondern brillierte auch in Rhetorik, Mathematik, Physik und Astronomie – ein Universalgelehrter, der Heirat und Familie zunächst scheute, weil er fürchtete, dann weniger Zeit für seine Ambitionen zu haben.

Der 450. Todestag von Philipp Melanchthon ist Anlass, in diesem Jahr des „Bildungsministers der Reformation” zu gedenken. Geboren wurde er 1497 im badischen Bretten als Philipp Schwartzerdt. Als er zwölf war, erwies ihm der große Humanist Reuchlin die Ehre, seinen Namen ins Griechische zu übersetzen – eine Art Erhebung in den Adelsstand unter damaligen Humanisten.

Als Professor beeinflusste Melanchthon das Bildungswesen maßgeblich. Er wollte eine Schule haben, die für alle Kinder ohne Unterschied des Standes, Ranges und, zumindest in der Grundschule, auch des Geschlechts zugänglich war.

In Nürnberg, Eisleben und Magdeburg richtet er die Vorläufer der heutigen Gymnasien ein. Unter seiner Leitung wurden die Hochschulen in Marburg, Königsberg und Jena gegründet sowie andere reformiert. Für die Studenten forderte er unter anderem Kenntnisse im Griechischen und für Theologen auch im Hebräischen sowie in Philosophie (Latein war ohnehin üblich) – Studierende der Theologie „danken” ihm das bis heute. Allerdings wäre ihm die Anonymität in den Bildungsfabriken von heute ein Gräuel: Jeder Student sollte einen Betreuer haben, fand er, der seine Ausbildung überwacht und fördert. Für die Studenten führte er Redeübungen ein, um das formal-logische Denken und die einleuchtende und schöne Darstellung eines Themas auszubilden.

Mit Martin Luther verband Philipp Melanchthon eine über 27 Jahre währende persönliche Beziehung, die sich von anfänglicher schwärmerischer Freundschaft in solidarische Kollegialität wandelte. Von Luther habe er das Evangelium gelernt, wie Melanchthon anerkennend sagte, aber der Einfluss war wechselseitig, denn Melanchthon brachte viele von Luthers Gedanken rasch auf den Begriff und in Form, und er war an Luthers Bibelübersetzung von Anfang an beteiligt. Seine biblischen Vorlesungen und Bibelkommentare spiegeln sein reformatorisches Denken, und eine geschickte Platzierung seiner Schüler an Multiplikatoren- und Schaltstellen festigte die Reformation auch institutionell.

In Augsburg verfasste Melanchthon 1530 eines der wichtigsten evangelischen Glaubensbekenntnisse, die Confessio Au- gustana, mit der die lutherischen Reichsstände vor Kaiser Karl V. ihr Bekenntnis darlegten. Sie wollten damit einerseits beweisen, dass sich ihr Glauben und ihre Lehre im Einklang mit Schrift und Tradition befinden, andererseits zeigten sie Missstände in der römisch-katholischen Kirche auf und wie diese zu beheben sind. In der Folge stand Melanchthon als Verhandlungsführer, in vielen Gesprächen, Darlegungen und Gutachten im Dienst des Schmal­kaldischen Bundes, in dem sich protestantische Fürsten und Städte zur Verteidigung des Protestantismus gegen die Religionspolitik Kaisers Karl V. zusammengeschlossen hatten.

Melanchthon erwies sich bei seinen Bemühungen, die Einheit und Reinheit der lutherischen Lehre zu bewahren, als ein Mann der Synthese, des maßvollen Ausgleichs und der ordnenden Form. Nach dem Tode Luthers 1546 wurde er zum Wortführer der Reformation, auch wenn er darin nicht unumstritten war und ihm seine herausragende Stellung viel „Sorgen und Arbeit” brachte. Er starb 1560 und erhielt sein Grab in der Wittenberger Schlosskirche neben dem von Martin Luther.

 

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Februar 2010 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.