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Von – 27. April 2011

Viele Gedenkstätten

Erinnerungskultur in Frankfurt ist vielfältig

Für die Opfer des Nationalsozialismus wurden in Frankfurt rund hundert Erinnerungsstätten unterschiedlichster Gestaltung errichtet. „Keine andere Stadt in Deutschland hat derart viele Facetten des Gedenkens vorzu­weisen“, sagte Jutta Zwilling vom Institut für Stadtgeschichte bei einem Thementag über „Das Gefeierte und das Verdrängte“ im Haus am Dom. Allerdings seien auch hier bestimmte Opfergruppen wie Homosexuelle, Sinti und Roma oder Kommunisten lange ignoriert worden.

Der „Frankfurter Engel“ am Klaus-Mann-Platz erinnert an die Verfolgung homosexueller Menschen im Nationalsozialismus. Foto: Antje Schrupp

Bürgermeister Walter Kolb habe sofort nach 1945 angewiesen, Informationen über die Gräueltaten der Nationalsozialisten zu sammeln und zu dokumentieren, so die Historikerin. Auch die in Frankfurt abgehaltenen Auschwitz-Prozesse, der hier ansässige hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und das Institut für Sozialforschung hätten für eine fortdauernde Thematisierung der Naziverbrechen gesorgt.

Dass das Gedenken in Frankfurt bis heute als moralische Verpflichtung betrachtet wird, liest Zwilling an den intensiven Auseinandersetzungen ab, die nicht allein in der Politik angestoßen würden, sondern auch von der Bevölkerung und an den Schulen. Ein gutes Beispiel sei die Bürgerinitiative, der das „Mahnmal Homosexuellenverfolgung“ zu verdanken ist. Von der Aufklärungsarbeit über die Finanzierung bis zur künstlerischen Gestaltung habe sie alles in die eigenen Hände genommen und 1994 den von Rosemarie Trockel gestalteten „Frankfurter Engel“ an die Kreuzung Schäfergasse/Alte Gasse gestellt. Zwei Jahre habe es gedauert, bis die Stadt die Schenkung akzeptierte, so Zwilling.

Dass Gedenken nicht „von oben“ angeordnet werde, sondern aus der Bevölkerung selbst komme, habe sich auch beim Börneplatzkonflikt gezeigt, der sich von Mitte der 1980er bis 1996 erstreckte. Das zögerliche Verhalten des Magistrats beim Umgang mit den unerwarteten Funden der Börneplatzsynagoge und anderer Überreste der ehemaligen Judengasse habe damals vehemente Bürgerproteste und eine regelrechte „Welle der Erinnerung“ ausgelöst. Insgesamt sei Frankfurt seit Anfang der 1970er Jahre mit einem „Netz der Erinnerung“ überzogen worden, resümierte Zwilling. Das jüngste, noch im Entwurf befindliche Projekt sei die Dokumentation der Deportationen, bei denen die jüdische Bevölkerung von der Großmarkthalle aus in Konzentrationslager verschleppt wurde.

Neben aller Kontinuität konstatierte die Historikerin auch Wandel bei den Formen des Gedenkens. In letzter Zeit seien vermehrt Einzelschicksale sowie die Orte der Verbrechen in den Blick gerückt – wie etwa bei der Verlegung von Stolpersteinen vor den letzten Wohnorten der Opfer. Außerdem werde beim Ringen um angemessene Erinnerung zunehmend auf die künstlerische Gestaltung Wert gelegt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 27. April 2011 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe .

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