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Von – 1. Juni 2011

Versöhnung – auch mit verpassten Chancen

„Hätte ich doch damals nur diese berufliche Chance ergriffen!“ – „Warum habe ich bloß diesen Mann geheiratet?“ – „Schade, dass ich keine Kinder habe!“ –„Warum bin ich nur im Zorn gegangen?“ – „Warum hat Gott mich mit dieser Krankheit gestraft?“

Solche und ähnliche Sätze hört Vera Dietl-Krüger, die Leiterin der Paar- und Lebensberatung im Evangelischen Zentrum für Beratung und Therapie in Eschersheim, in jedem dritten Beratungsgespräch: immer dann, wenn Menschen eine Lebensbilanz ziehen und erkennen, dass das eine oder andere in ihrem Leben nicht mehr gelingen kann, dass bestimmte Chancen unwiderruflich vorbei sind.

Es sei wichtig, solche bitteren Wahrheiten aussprechen zu können, so die Therapeutin. Und zwar jemandem gegenüber, der akzeptiert, dass das persönlich als schwer Empfundene auch wirklich schwer ist und es nicht bewertet oder abwehrt – zum Beispiel mit Worten wie „Ich weiß gar nicht, was du hast“. Oder wie manche Eltern, die sagen „Ich habe dir doch alles gegeben“, obwohl ihre erwachsenen Kinder vielleicht einen Mangel spüren.

Das „Aussprechen und Angenommen-Werden” sei der Anfang der Versöhnung mit sich selbst und der eigenen Geschichte, sagt die Beraterin. Erst dann könne auch Versöhnung mit anderen gelingen. Schließlich könne man als erwachsener Mensch nicht ewig wütend auf die mittlerweile vielleicht 80 Jahre alte Mutter sein, weil man immer noch das Gefühl habe, als Kind nicht liebevoll genug behandelt worden zu sein. Besser sei, sich zu fragen, was wertvoll an den eigenen Um- oder Anderswegen war, was man dabei gewonnen hat, und was man in Zukunft mit dem Leben anfangen will.

Es gebe aber auch Menschen, die sich eigentlich gar nicht mit sich und ihren Mitmenschen versöhnen wollten, sondern lieber in ihrem „gemütlichen Elend“ verharren, erzählt Dietl-Krüger. So wie im Beispiel des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick, in dem ein Mann einen Hammer braucht, um etwas in seiner Wohnung zu reparieren. Der Mann stellt sich vor, wie er den Nachbarn nach einem Hammer fragt, und dieser aber mürrisch und genervt reagiert. In diese Vorstellung steigert er sich so hinein, dass er, als er dann doch klingelt, den Nachbarn anschreit: „Dann behalt doch deinen Hammer für dich!“ Ein Minimum an Vertrauen, dass etwas gelingen könne, sei nun einmal nötig, um sich mit dem Leben versöhnen zu können.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 1. Juni 2011 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".