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Aktuell

Von – 23. Februar 2012

Von wegen „Verweiblichung“ der Kirche!

Woher der Imageverlust des Pfarrberufes wirklich kommt

Lieve Van den Ameele ist Pfarrerin in Frankfurt-Fechenheim und Gemeindeberaterin. Foto: privat

Um zu erklären, dass der Pfarrberuf bei jungen Menschen nicht sehr hoch im Kurs steht, kursiert derzeit die Annahme, das liege an einer „Verweiblichung“ des Berufsbildes – so war es zum Beispiel kürzlich auf evangelisch.de zu lesen.

Es mag ja sein, dass einzelne Herren zu Protokoll gegeben haben, dass sie ihre Rolle nicht im Kindergottesdienst und in der Altenarbeit sehen (Man fragt sich: Wurden denn eigentlich auch Frauen um ihre Meinung gebeten? Was haben sie geantwortet?)

Der Rückschluss jedoch, dass eine „Verweiblichung“ des Berufes die Ursache für ausbleibende Theologiestudenten sei, greift meines Erachtens zu kurz. Vielmehr glaube ich, dass es Not tut, den Wandel der Berufspraxis ein wenig zu beleuchten.

„Sparen! Sparen!“ – so lautet die Devise auch bei der Kirche. Und was ist überall am teuersten? Die Personalkosten. Seit Jahren müssen Kirchengemeinden Stellen abbauen, ob ihnen das schmeckt oder nicht. Zuerst wurde bei den Küstern und Hausmeistern gespart. In den Entscheidungsgremien ging man (und auch frau?) davon aus, dass vieles von deren Arbeit auch Ehrenamtliche übernehmen könnten.

Ähnlich war es bei den Stellen der Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen: Sie wurden ebenfalls gnadenlos zusammengestrichen. Hinfort waren es nur noch reiche Gemeinden oder solche, die mit Nachbargemeinden zusammen ein „zustimmungswürdiges“ Jugendkonzept auf die Beine stellen konnten, die noch Stellenanteile dafür hatten. Auch da wurde teilweise damit argumentiert, man könne die Jugendarbeit doch von Ehrenamtlichen machen lassen.

Aber aus dem Pool der Ehrenamtlichen kann nicht endlos geschöpft werden. Auch dort gibt es ein Limit der Belastbarkeit und eine berechtigte Grenze der Verfügbarkeit. Außerdem ist festzustellen, dass die heutigen Ehrenamtlichen ganz anders auf mögliche Aufgabenbereiche schauen. Sie machen nicht mehr wahllos alles, was an sie herangetragen wird – zu recht auch!

Im Ergebnis jedoch bedeutet dies, dass den Pfarrerinnen und Pfarrern oft gar nichts anderes übrig bleibt, als Arbeitsfelder, die vorher von anderen Hauptamtlichen gemacht wurden, entweder sein zu lassen oder selbst zu übernehmen. Und so findet sich manche Pfarrerin heutzutage beim Stühle Rücken wieder oder beim Kindergottesdienst oder in der Altenarbeit.

Es mag sein, dass der oder die eine oder andere am Mittun in einzelnen dieser Arbeitsfelder Gefallen findet. Doch liegt hier die Betonung auf „Mittun“ und „Gefallen finden“. Mit Sicherheit ist das nicht die Regel, sondern entsteht eher aus der Not heraus: Wer soll’s denn sonst machen, wenn die Pfarrerinnen und Pfarrer als nahezu einziges bezahltes Personal in den Gemeinden übrig geblieben sind?

Ob die betriebswirtschaftliche Sicht im Bezug auf das „Management“ einer Kirchengemeinde immer weiterführend ist, ist (wie im übrigen auch in der Wirtschaft) zu bezweifeln. Wir neigen auch bei der Kirche inzwischen dazu, bei allem nach dem genauen Stückpreis unserer Produkte zu fragen. Es könnte sein, dass die Kirche – wie auch die Wirtschaft – erst recht spät dahinter kommt, dass es sich lohnen könnte, insgesamt für die „Klientinnen und Klienten“ da zu sein und nicht nur das zu machen, was sich rechnet.

Tatsächlich stellt sich für die Kirche wie auch für kommerzielle Betriebe nicht zuletzt die Frage nach dem Sinn des Ganzen. Ich denke, wir sind in der evangelischen Kirche zu sehr darauf geeicht, „Kundenwünschen“ – im Sinne von „Man könnte dies und sollte das“– vorbehaltlos nachzugehen. Würden wir uns von diesem Anspruch verabschieden, es allen recht zu machen, dann würde dies dem einzelnen Pfarrer, der einzelnen Pfarrerin vielleicht ermöglichen, dem eigenen Berufsethos weiterhin gerecht zu werden.

So aber ist es kein Wunder, dass der Berufsstand von jungen Menschen als eher problematisch angesehen wird und auf der Skala der Selbstverwirklichung so gar nicht viel anzubieten scheint. Dieses Problem auf der Mann-Frau-Schiene austragen zu wollen, geht vollkommen am Thema vorbei.

Was vor allem gefragt ist, ist kirchenleitendes Handeln, um den Pfarrberuf und das „Image“ des Berufsstandes des Pfarrers und der Pfarrerin zu stärken. Gerade in einem solchen Beruf, wo es doch auch um „Berufung“ geht, ist es erforderlich, dass Einzelne ihre individuellen Talente in die Arbeit einbringen können und nicht einfach „Mädchen für alles“ sind. Ein Pfarrer und eine Pfarrerin müssen ihre eigenen Vorstellungen davon einbringen können, wie sie sich für die Verwirklichung des Reiches Gottes im Hier und Jetzt einbringen wollen, und welches ihr Part bei der Umsetzung von Gottes Gerechtigkeit und allumfassendem Schalom ist.

Jedenfalls wäre das besser, als unter dem ständigen Druck zu leben, insgesamt dafür verantwortlich zu sein, wenn der Laden auseinander fällt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 23. Februar 2012 in der Rubrik Meinungen, erschienen in der Ausgabe .

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Lieve Van den Ameele ist Pfarrerin in Frankfurt-Fechenheim und Gemeindeberaterin.