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Von – 2. April 2012

Das Kreuz mit dem Opfer

„Du Opfer“ gilt unter Jugendlichen als gemeine Beschimpfung. Denn wir wollen alles Mögliche werden, aber eines sicher nicht: hilfloses Opfer von Umständen, die wir nicht beeinflussen können.

Jutta Jekel ist Pfarrerin in der Hoffnungsgemeinde im Bahnhofsviertel und im Westend. Foto: Ilona Surrey

Niemand will gerne zum Opfer werden. Wer Opfer ist, verliert die Gestaltungsfähigkeit für das eigene Leben. Wer etwas gelten will und gesellschaftlichen Einfluss haben möchte, muss stark sein und bestimmen. Im Beruf, im Ehrenamt, in der Politik, auch in der Kirche: Nicht die Opfertypen sind gefragt, sondern die Macher und Gestalter, die sich zutrauen, Einfluss zu nehmen, Dinge anzupacken und umzusetzen. Die Finanzmärkte neu ordnen, die Schuldenkrise lösen, die Abteilung neu aufstellen. „Loser“, Verlierertypen, haben keine Konjunktur. Noch nicht einmal die Nachdenklichen, Leisen sind besonders gefragt.

Der christliche Glaube und die Bibel enthalten eine andere Botschaft: Opfer zu sein, ein Opfer zu bringen, ist nicht unbedingt Schwäche oder Magie und Beschwörung, sondern kann auch ein positives Zeichen sein. Denn Jesus, der Charismatiker, der mit seiner Botschaft vom bedingungslosen Anspruch Gottes auf das ganze Leben aufgewühlt hat und angeeckt ist, bringt Opfer und wird zum Opfer.

Jesus hatte eine klare Vision, der sich die Lebenspraxis unterordnen musste: Familie? Keine Zeit. Beruf, Geld verdienen? Zweitrangig. Privates, Lebensglück? Die Predigt vom Reich Gottes ist das Ziel, das jedes Opfer rechtfertigt!

Er ist wahrlich kein Schwacher, dieser Jesus von Nazareth, er ist ein mitreißender Prediger und ein fordernder Gesprächspartner,überzeugt von dem, was er zu sagen hat.

Aber er setzt nicht sich selbst absolut, sondern ist bereit zur Unterordnung: unter den Willen Gottes. Seine Botschaft lautet, dass es etwas Größeres gibt als das eigene Ego. „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorbei. Doch nicht wie ich will, sondern wie Du willst“ betet Jesus vor seiner Verhaftung. Manchmal, wie da im Garten Gethsemane, ist er schwach und verzweifelt.

Ein Motiv des Darmstädter Künstlers Ralf Kopp steht im Mittelpunkt einer Kampagne der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau zum Karfreitag: eine Hand mit durchbohrter Handfläche vor blauem Hintergrund, die Finger sind zum Zeichen für „Victory“, Sieg, gespreizt. Weitere und kontroversere Motive der „Opfer“-Hand gibt es auf der Seite von Ralf Kopp – zum Beispiel als Faust, als Satansgruß oder als „Stinkefinger“. Foto:?ekhn

Das ist die andere Seite des Engagements, die wir oft weit weg schieben: Wem kann man schon erzählen, dass man verzweifelt ist und sich völlig am Ende fühlt? Wo kann man weinen, trauern und klein sein? Wo bekommt man Trost, ohne Stärke zu provozieren? Oder zu hören: „Kopf hoch, stell dich nicht so an, ist doch alles nicht so schlimm“?

Was Jesus in der Passionszeit vorlebt, ist nicht Durchsetzung um jeden Preis mit Macht und Gewalt, Schwert und Blutvergießen. Sondern er wählt einen anderen Weg. Machtlos, gewaltlos und duldend geht Jesus den Weg ans Kreuz, und Gott geht diesen Weg mit ihm. Für seine Jüngerinnen und Jünger ist das der „Supergau“. Ihr Anführer, ihr Vorbild, wird verspottet, verhöhnt und hingerichtet.

Aber mit diesen Ereignissen erfährt das Opfer – der Leidensweg, das Sterben – eine Umdeutung: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Gottes Mitleid ist im Leid real, lässt es stehen, verleugnet es nicht und ermöglicht gleichzeitig Neues: neues Leben, neue Kraft, neue Perspektiven. Darum beten wir für alle, die gedemütigt werden. Darum helfen wir uns gegenseitig auf und treten nicht noch nach, wenn jemand am Boden liegt.

Heil im Opfer? Heil durchs Opfer? Ja. Weil Scheitern und Schwäche sein dürfen, weil sie Gottesnähe und nicht Gottesferne sind. Und hoffentlich Mitleid provozieren, Anteilnahme, und die Botschaft: Ich bin jetzt bei Dir, fürchte Dich nicht mehr als nötig.

Veranstaltungen zum Kreuz

Installationen und Fotografien von Ralf Kopp zum Thema Kreuz und Opfer sind noch bis zum 20. April in der Matthäuskirche an der Messe, Friedrich Ebert Anlage 33, zu sehen. Sie ist mittwochs und freitags von 16 bis 18.30 Uhr geöffnet, während der Luminale, also vom 15. bis 20. April, täglich von 18 bis 22 Uhr. Beim Karfreitagsgottesdienst am Freitag, 6. April, um 10 Uhr wird Pröpstin Gabriele Scherle predigen. Finissage ist am Freitag, 20. April, um 19.30 Uhr.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 2. April 2012 in der Rubrik Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Jutta Jekel ist Pfarrerin in der Hoffnungsgemeinde im Bahnhofsviertel und im Westend.

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