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Von – 24. Mai 2012

Organspende: „Gott braucht alte Organe nicht”

Laut Umfragen sind 74 Prozent der Deutschen zur Organspende bereit. Aber nur 25 Prozent haben einen Organspendeausweis. Die Lücke zwischen Denken und Handeln soll nun durch die regelmäßige Post von der Krankenkasse geschlossen werden.

Nierentransplantationen ersparen den Betroffenen mehrere langwierige Dialysesitzungen pro Woche. Foto: horizong 21/Fotolia

In Deutschland warten derzeit 12000 Menschen auf ein Spenderorgan. Dies ist oftmals ein Wettlauf mit dem Tod. Ein neues Gesetz soll nun Abhilfe schaffen. Alle Bundestagsfraktionen einigten sich auf die so genannte „Entscheidungslösung“. Danach werden alle Bundesbürgerinnen und -bürger über 16 Jahren aufgefordert, ihre Spendenbereitschaft zu erklären.

Regelmäßige Briefe – schon ab diesem Jahr – informieren dann über die Organspende und fordern zur Abgabe der Erklärung auf. Dokumentiert wird das auf den mitgeschickten Organspendeausweisen, später wohl auch auf der Gesundheitskarte.

Wer einen Organspendeausweis ausfüllt, kann das Einverständnis zur Organ- und Gewebespende entweder generell erteilen, auf bestimmte Organe oder Gewebe einschränken oder einer Organ- und Gewebespende widersprechen. Es kann in der Zeile „Anmerkungen?/?Besondere Hinweise“ auch eine bestimmte Person benannt werden, die im Todesfall benachrichtigt werden soll. Wichtig: Der Organspendeausweis wird an keiner offiziellen Stelle registriert oder hinterlegt.

Dabei muss niemand fürchten, sich endgültig festzulegen. Wer die Einstellung zur Organ- und Gewebespende ändert, muss lediglich die alte Erklärung vernichten. Auf einem neuen Ausweis kann dann die geänderte Einstellung festgehalten werden. Der Organspendeausweis sollte immer mitgeführt werden, am besten zusammen mit den Ausweispapieren. Allerdings ändert sich eines nicht: Wer sich zu Lebzeiten nicht erklärt, überlässt im Ernstfall die Entscheidung den Trauernden. Das ist für die Angehörigen oft eine extreme Belastung.

Theologisch gibt es gegen die Organspende keine Vorbehalte. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, ruft die Christinnen und Christen sogar dazu auf, sich einen Organspendeausweis zuzulegen. „Ich glaube, dass Gott meine alten Organe nicht braucht, wenn er mir nach dem Tod ein neues Leben schenkt“, sagte der 62-Jährige gegenüber evangelisch.de. „Ich kann nur sehr ermutigen, sich die Frage, ob Sie spenden würden oder nicht, ernsthaft zu stellen und zu beantworten.“

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.organspende-info.de.

Organspende – sind Sie dafür?

Sabine Mousset (38), Ärztin

Ich bin für die Organspende und habe auch selbst einen Organspendeausweis, weil ich sehe, wie Menschen unter chronischen Erkrankungen leiden. Ein gespendetes Organ kann die Lebensqualität sehr verbessern. Eine Niere zum Beispiel bedeutet, dass man nicht mehr dreimal in der Woche drei bis vier Stunden zur Dialyse muss. Als Naturwissenschaftlerin bin ich auch vom Hirntod überzeugt, der ja eingetreten sein muss, damit Organe entnommen werden können. Hirntot ist man, wenn man keine Hirnströme mehr messen kann. Das ist unumkehrbar, der Mensch existiert als Persönlichkeit nicht mehr, aber seine Organe können noch sinnvoll gespendet werden. Da der Bedarf an Organen immer höher ist als die, die zur Verfügung stehen, finde ich den Vorstoß der Bundesregierung, die Menschen jetzt direkt anzuschreiben, sehr positiv.

Thomas Leistner (49), Theologe und Lehrer

Im Prinzip schon. Der Hirntod ist aber durchaus auch problematisch. Studien belegen, dass das emotionale Empfinden nach dem Hirntod noch nicht ausgeschaltet ist. Manche Ärzte geben Betäubungsmittel vor der Organentnahme, weil der Körper sich verkrampft. Das macht mich schon sehr nachdenklich. Andererseits weiß ich auch, dass viele Menschen auf ein Spenderorgan warten. Ich habe mit meiner Frau gesprochen, die das letztlich in der Situation entscheiden soll – ich kann nicht alles voraussehen. Organspende ist ein Akt der Nächstenliebe, aber ich finde auch, dass niemand unter Druck gesetzt werden sollte. Man selbst und die nächsten Angehörigen müssen genau wissen, worauf sie sich einlassen. Ethisch ist ja auch die Frage interessant, ob man ein Organ zwar annehmen würde, aber nicht bereit ist, selber eins zu spenden?

Shlomo Raskin (40), Kantor und Seelsorger

Alles, was Menschen retten kann, durch direkte Hilfe oder mit Hilfe der Forschung, ist natürlich positiv. Das größte Gebot in der Tora ist, Leben zu retten. Wir haben nur dieses Leben hier, kein Leben in der Ewigkeit. Und der Körper ist ein Pfand, der uns vom Ewigen geschenkt wurde. So wie eine Mutter einem Kind das Leben schenkt, es gehört ihr aber deshalb nicht. Wenn also einer ein Organ spenden will und der andere das annehmen möchte, finde ich das super. Im Einzelfall sollte man sich aber immer mit dem Rabbi und dem Arzt beraten, denn es muss ja alles zusammenpassen und stimmen. Was natürlich nicht geht, ist, ein Geschäft mit Organen zu betreiben, wie es ja leider manchmal geschieht. Ich selbst spende einmal im Jahr Blut. Das ist ein sehr gutes Gefühl. Vielleicht lege ich mir dann auch einen Organspendeausweis zu.

Gabriella Reff (52), Redaktionsassistentin

Allgemein kann ich das nicht sagen, das muss jeder selbst entscheiden. Ich persönlich habe mich gegen einen Organspendeausweis entschieden. Wenn Organe nach dem so genannten Hirntod entnommen werden, wird der Sterbeprozess unterbrochen. Man hat die Definition des Hirntodes ja eingeführt, um überhaupt Organe transplantieren zu dürfen. Ich denke zwar auch, dass jemand nach unserem heutigen Wissensstand dann wirklich tot ist, auch wenn er sich vielleicht noch bewegt. Aber vielleicht finden spätere Generationen etwas anderes heraus. Wir wissen es nicht. Jedenfalls wird der Sterbeprozess unterbrochen, und das gefällt mir nicht. Neulich habe ich eine Mutter kennengelernt, die es bereut hat, dass sie die Organe ihres Kindes zur Spende freigegeben hat. Jetzt noch, Jahre später. Wir wissen einfach nicht, wie das wirkt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 24. Mai 2012 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Ute Dollberger schrieb am 26. Mai 2012

    Ich habe mich nach vielen Jahren der Auseinandersetzung mit diesem Thema schon vor langer Zeit klar und deutlich 1. gegen eine Organspende jeglicher Art ausgesprochen, und zugleich 2. gegen den Erhalt einer Organspende.
    1. Wie tot ist tot? Die Medizin glaubt der hirntote Mensch habe kein Schmerzempfinden, und gibt somit bei Entnahmen in den meisten Fällen keine Vollnarkose. Obwohl es hirntote Menschen gibt die krampfen, ihre Körpertemperatur regulieren, etc. (Erlanger Baby-Frauen können gebären). Trotzdem halten es Mediziner nicht für notwendig alle Gehirnareale für tot zu erklären. Bei Erwachsenen reicht es aus, dass Teilbereiche für tot erklärt werden. Dazu gehört z.B. nicht die Großhirnrinde, die Cortex, wo die Bewusstwerdung des Schmerzempfindens sitzt. Wer weiß, dass steigender Blutdruck z.B. ein Schmerzausdruck bei Komapatienten ist, kann nicht wirklich meinen, dass der oft stark erhöhte Blutdruck bei Hirntoten nichts zu bedeuten hat. Ich weiß also nicht was ich mir da selbst antue.
    Unter Anderem bin ich genau deshalb, im Gegensatz zu vielen Medizinern, der Ansicht, solange Maschinen einen Körper am Leben halten ist er nicht tot. Solange das Herz schlägt, wenn auch künstlich hevorgerufen, ist Leben in ihm. Viele Nervenzellen leben auch noch, müssen noch leben, denn sonst würde man Organe auch einem Toten entnehmen können.
    Ich bin dann zwar an dem Punkt in meinem Leben angelangt, von dem aus es keine Rückkehr mehr gibt, denn der Sterbeprozess hat dann begonnen, aber ich sterbe – ich bin noch nicht tot. Schließlich wurde hinlänglich schon in den Siebzigern bewiesen, dass oft lange Zeitspannen zwischen dem Hirn- und nachfolgendem Herztod liegen können.
    Gäbe ich also mein Einverständnis zum „Ausschlachten“ meines, von mir eigentlich nicht mehr benötigten, aber dennoch am Leben gehaltenen Körpers, gäbe ich damit mein Einverständnis zum von mir erwünschten vorzeitigen Tod, und damit zur Selbsttötung, wenn auch von anderen vorgenommen. Damit will ich nicht vor meinen Schöpfer treten.
    2. Den Erhalt eines Spenderorgans lehne ich ab, weil ich selbst den Gedanken nicht ertragen könnte, etwas Lebendes eines anderen Menschen in mir zu tragen.
    Außerdem gehe ich, eben aus diesem Grund, nicht konform mit den oft zu lesenden Aussagen, dass Organspenden ein Akt der Nächstenliebe seien. Niemand will wirklich sterben, deshalb überlegen manche Menschen nicht lange genug, oder haben gar nicht die ausreichend verbleibende Lebenszeit dazu, ob sie mit einem lebenden Teil eines anderen Menschen in sich klar kommen werden. Schon viele Menschen sind daran verzweifelt. Ist DAS Nächstenliebe? Vielleicht bestehen hier für manche Menschen auch Unterschiede ob sich regenerierendes Blut und Knochenmark, oder ein Herz, Niere und Leber gespendet werden.
    Letztendlich muss das jeder für sich ganz alleine entscheiden, und das mag der Grund für das zögerliche Verhalten vieler Menschen sein. Nicht zu wissen wie es ihnen nach dem Erhalt einer Spende damit geht, und der Gedanke, dass ich, wenn ich erhalte, auch spenden (wollen) sollte.