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Von – 8. Dezember 2012

Sterne – Leuchtmittel oder Götter?

Schon immer haben Menschen sich mit den Sternen beschäftigt und versucht, ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken. Sie wollten den Einfluss der auf das Leben berechenbar und möglichst auch nutzbar machen.

Das Weltraumteleskop Hubble eröffnet faszinierende Blicke in den Weltraum – hier auf den Pferdekopfnebel, und die Astronomie steht mit der Marsmission der NASA vor neuen Erkenntnissen. Bild: T.A.Rector (NOAO/AURA/NSF) and Hubble Heritage Team (STScI/AURA/NASA)

Nachts sieht man am Himmel mehr als auf der Erde. Es eröffnet sich eine unvorstellbare Weite. Der Sternenhimmel ist faszinierend in seiner Schönheit, andererseits flößt er aber auch Furcht ein, verändert er sich doch ständig im Lauf von Jahr und Tag.

Als Menschen begannen, mit ihren Schiffen auf die hohe See hinauszufahren, wo es keine markanten Küstenpunkte zur Positionsbestimmung gab, waren die Sterne ihre einzigen Orientierungspunkte. Tagsüber konnten sie anhand des Sonnenstandes grobe Himmelsrichtungen ausmachen, nachts orientierten sie sich zum Beispiel am Polarstern und am Großen Wagen. Noch bis zum Aufkommen der Satellitennavigation diente der Sextant als Messinstrument, um den Winkel zwischen Horizont und Gestirnen zu bestimmen – das ermöglichte eine Navigation bis auf eine Seemeile genau.

Babylon: „astronomisches Wissen“

Doch die Sterne navigierten die Menschen nicht nur über die Weltmeere, sondern auch durchs Leben. Die Babylonier im Zweistromland, dem heutigen Irak, haben sich schon vor viertausend Jahren mit dem Einfluss der Sterne auf das Weltgeschehen beschäftigt. Sie verbanden die Astronomie, die Berechnung von Himmelskörpern und ihren Bahnen, mit der Astrologie, also der Kunst der Sterndeutung. Priester und Wissenschaftler beobachteten die Gestirne, ordneten sie bestimmten Gottheiten zu und hielten fest, welche Konstellationen sie bei bestimmten Ereignissen auf der Erde hatten. So arbeiteten sie ursächliche Zusammenhänge zwischen dem Stand der Sterne und politischen Entscheidungen, Wetterlagen und sogar Marktpreisen heraus.

Mit ihrem „astronomischen Wissen“ waren die Babylonier führend in der Welt und gaben ihre Ideen an Griechen, Römer und Germanen weiter. So stammt von ihnen die Sieben-Tage-Woche her, deren Tage nach den Sternen-Göttern benannt wurden: Sonntag ist der Tag der Sonne – die Christen machten daraus den „Tag des Herrn” (domenica im Italienischen). Montag steht im Zeichen des Mondes, Dienstag ist der Tag des Mars („mardi” auf französisch), Mittwoch der des Merkur (französisch „mercredi”). Donnerstag ist der Tag des Jupiter (französisch „jeudi”), welcher bei den Germanen dem Donar entsprach und daher umbenannt wurde. Freitag ist der Tag der Venus (französisch „vendredi”) und Samstag der des Saturn (englisch „Saturday”) – im Deutschen übrigens von Sabbat abgeleitet. Und wenn auch die Astrologie heute ein Stiefkind jener babylonischen Wissenschaft ist, so weiß doch beinahe jeder, in welchem Sternzeichen sein Geburtsdatum liegt.

Genesis: Gott pinnt schnell mal Sterne an den Himmel

Kurzen Prozess mit der babylonischen Sternen- und Götterwelt machten allerdings die Juden. Als sie im 6. Jahrhundert vor Christus im babylonischen Exil waren, übernahmen sie zwar das dortige Weltbild, allerdings mit einer Änderung: Sie sahen in den Sternen nicht Götter, sondern ganz ordinäre Leuchtmittel. Feinsinnig formuliert das die erste Schöpfungsgeschichte: „Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre und seien Lichter an der Feste des Himmels, dass sie scheinen auf die Erde. (1. Mose 1,13ff).” Demnach pinnt Gott also mit einer schnellen Handbewegung die Sterne an den Himmel – und entmachtet so recht souverän die babylonischen Gottheiten.

So ganz kann sich allerdings auch die Heilige Schrift der Faszination der Sterne nicht entziehen. Der Messias wird als aufgehender Stern aus Jakob bezeichnet (4. Mose 24,17), und als die Sterndeuter im Land von Euphrat und Tigris rund 600 Jahre nach dem Exil einen bemerkenswert hellen Stern am Himmel sehen und daraus schließen, dass ein neuer König geboren ist, hat die babylonische Wissenschaft von den Zusammenhängen zwischen Sternenwelt und irdischer Welt offensichtlich doch noch etwas Richtiges erkannt.

Christus ist der Morgenstern

In der Tat erfährt sie in der Weihnachtsgeschichte eine späte Würdigung: Ihre Gelehrten, die wahrscheinlich eine im Jahr 6 vor Christus mehrfach auftretende Konjunktion von Saturn und Jupiter gesehen haben, beten das Jesuskind an und haben die Ehre, die weltweite Anerkennung von Jesus Christus vorwegzunehmen. Doch darf im Christentum nur Christus als Sohn Gottes mit einem Stern in Verbindung gebracht werden.

Als „Morgenstern” ersetzt Christus in der kirchlichen Tradition als Leitbild die Venus: Wie einst sie ist jetzt er der Vorbote des kommenden Tages und zeigt, dass das Licht über die Nacht siegen wird. In der katholischen Tradition wurde später Maria zum „Stern des Meeres”, womit meist Venus oder Polarstern gemeint sind, und überbietet die alten Göttinnen Isis, Ishtar, Aphrodite und Venus. Als Schutzpatronin der Seeleute weist sie die richtige Richtung und schließt so wieder den Bogen zwischen astronomischer Navigation und religiösem Leitgestirn.

Ziemlich clever war es dann schließlich, dass die Christen im 4. Jahrhundert das Fest des unbesiegbaren römischen Sonnengottes am 25. Dezember zum Geburtsfest Jesu Christi umzumünzten. Damit bekräftigten sie: Er ist die wahre Sonne, die Helligkeit und Wärme in die Welt bringt.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 8. Dezember 2012 in der Rubrik Kultur, erschienen in der Ausgabe , .

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Wilfried Steller ist Theologischer Redakteur von "Evangelisches Frankfurt" und Pfarrer in Frankfurt-Fechenheim.