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Von – 10. Februar 2013

Freiheit nach Luther

Interdisziplinäre Debatte in „Römer 9“

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Diese bekannten dialektischen Sätze stammen aus Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, die im Jahr 1520 erschienen ist und zu den drei reformatorischen Hauptschriften gehört.

Luthers Vorstellungen von Freiheit ordneten die Historikerin Luise Schorn-Schütte, der Theologe Reinhold Rieger und der Philosoph Matthias Lutz-Bachmann bei einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie am Römerberg im Rahmen ihrer jeweiligen Disziplin ein.

Als Mensch des 16. Jahrhunderts habe Luther zwischen dem „regnum Christi“, dem Reich der Gläubigen, und dem „regnum mundi“, dem Reich des sündigen Menschen, streng unterschieden, erläuterte Schorn-Schütte. Innerhalb des weltlichen Reiches schuldete nach Luthers Ansicht jeder der weltlichen Obrigkeit Gehorsam und hatte kein individuelles Recht, sich aufzulehnen. Luther sei Theologe und Seelsorger, aber nicht Politiker gewesen. Dennoch habe sein Freiheitstraktat, ohne dass Luther das gewollt habe, bedeutenden Einfluss auf den deutschen Bauernkrieg gehabt. Die Bauern bezogen den Begriff Freiheit auf ihre weltliche Lebenssituation und forderten das Ende der Leibeigenschaft. Luther verstand Freiheit aber lediglich als geistliche Freiheit, die dem Menschen allein durch Gottes Gnade zukommt. Mit seiner Schrift „Wider die mörderischen Rotten der Bauern“ distanzierte er sich 1525 scharf von den Aufständischen. Luther habe aber später zugestanden, dass immerhin die Reichsstände – als bestellte Amtsträger – gegen Tyrannen Widerstand leisten dürfen.

Theologisch gesehen gehe Luther von der „tiefen Verderbtheit des Menschen“ aus, erläuterte Reinhold Rieger. Der Mensch erkenne sich demnach selbst als zutiefst sündig und nichtig und müsse verzweifeln, wenn er nicht durch die Gnade Gottes „neu geschaffen“ werde. Die geistliche Freiheit kommt laut Luther dem Menschen also nur durch Gottes Gnade zu, nicht aber durch eigene gute Taten. Nach Ansicht von Lutz-Bachmann ist die große Einsicht Luthers über den Menschen seine „Annahme eines inneren Menschen“, des Gewissens. Die Vorstellung von einem Gewissen habe sowohl die Moralphilosophie als auch die Rechtsphilosophie der Neuzeit stark beeinflusst. Kants Konzept des freien Willens etwa sei ohne Luther nicht denkbar.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 10. Februar 2013 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".