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Von – 31. März 2013

Dialekte des Christlichen – Gemeinden sind längst „Multikulti“

Dietmar Burkhardt erforscht seit eineinhalb Jahren die „Multikulturalität“ evangelischer Kirchengemeinden und stellt fest: Auch hier haben immer mehr Mitglieder Wurzeln im Ausland.

Dietmar Burkhardt erforscht die „Multikulturalität“ evangelischer Kirchengemeinden. Das Projekt ist am Fachbereich Theologie der Goethe-Uni angesiedelt. Foto: Rolf Oeser

Dietmar Burkhardt erforscht die „Multikulturalität“ evangelischer Kirchengemeinden. Das Projekt ist am Fachbereich Theologie der Goethe-Uni angesiedelt. Foto: Rolf Oeser

Wie deutsch sind eigentlich die evangelischen Kirchengemeinden? Ziemlich deutsch, glauben viele. Denn während die katholische Kirche eine weltweite Organisation ist und daher Katholikinnen und Katholiken, die aus anderen Ländern nach Deutschland einwandern, automatisch auch hier zur katholischen Kirche gehören, gründen Migrantinnen und Migranten mit protestantischem Hintergrund oft eigene Gemeinden, die organisatorisch unabhängig von der deutschen evangelischen Kirche sind.

Doch das Bild ist längst differenzierter. Dietmar Burkhardt erforscht seit eineinhalb Jahren die „Multikulturalität“ evangelischer Kirchengemeinden und stellt fest: Auch hier haben immer mehr Mitglieder Wurzeln im Ausland. Im Dekanat Höchst ist er anhand einer Stichprobe von 20 000 Mitgliedern zu dem Ergebnis gekommen, dass 20 Prozent der Evangelischen entweder selbst im Ausland geboren sind oder Eltern haben, die im Ausland geboren sind. Bei den unter 14-Jährigen liege der Anteil bereits bei 24 Prozent, bei den unter 7-Jährigen sogar bei 31 Prozent. Etwa die Hälfte kommt aus Osteuropa oder der ehemaligen Sowjetunion, die andere Hälfte aus Afrika, Lateinamerika, Asien oder Westeuropa.

Assmiliation, Segregation – oder echte Integration?

Burkhardt glaubt, dass sich die Kirche bewusst auf diese Veränderung einstellen sollte: „Wir müssen uns fragen, was wir wollen: Assimilation, Segregation oder Integration?“ Segregation bedeute, dass verschiedene Gruppen jeweils unter sich bleiben. Zum Beispiel haben sich inzwischen eine indonesische und eine koreanische Gemeinde organisatorisch der Landeskirche angeschlossen. Auch die katholische Kirche geht mit ihren Auslandsgemeinden teilweise diesen Weg.

Assimilation bedeute, dass die deutschen Gemeinden die Zugewanderten zwar in ihren Reihen willkommen heißen, aber erwarten, dass sie sich an die hiesigen Traditionen und Gewohnheiten anpassen. Diese Haltung komme etwa im Bild von der Gemeinde als „Gastgeberin“ zum Ausdruck, sagt Burkhardt: Man ist zwar durchaus interessiert daran, „dass andere zu uns kommen“, aber man möchte doch weiterhin selbst Regeln und Maßstäbe setzen. Menschen mit anderen kulturellen und spirituellen Bedürfnissen werden sich so aber kaum aktiv am Gemeindeleben beteiligen.

Andere Formen von Spiritualität zulassen

Integration hingegen bedeutet, sich gemeinsam weiterzuentwickeln. Was das konkret heißt, möchte Burkhardt noch genauer erforschen. Einige Hinweise hat er aber bereits. So sei es wichtig, Neuankömmlinge bewusst zu begrüßen und zu fragen, was sie benötigen – das könne so etwas Simples sein wie eine Übersetzung der Gottesdienstliturgie. Ein anderes Thema sei die Frage der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse, damit sich die kulturelle Vielfalt der Gemeindemitglieder auch in der Mitarbeiterschaft widerspiegelt.

Und schließlich gehe es auch um speziell religiöse Fragen. „Es gibt viel Frömmigkeit und gelebte Spiritualität jenseits dessen, was die Kirche wahrnimmt“, glaubt Burkhardt. Deutsche Gemeinden sollten sich für andere Formen von Spiritualität und Glauben öffnen. Eine „reine Lehre“ des Christentums habe es ohnehin nie gegeben, sondern nur „viele Dialekte des Christlichen“.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 31. März 2013 in der Rubrik Gott & Glauben, Menschen, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.