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Von – 11. Juni 2013

Bockenheim: Kulturcampus als Preistreiber

„Wohin geht Bockenheim?“ Diese Frage lockte 200 Menschen in die Jakobskirche am Kirchplatz. Mit einer „Bockenheimer Erklärung“ wenden sich Bewohnerinnen und Bewohner gegen Gentrifizierung und höhere Mieten.

Über 200 Menschen kamen in die Jakobskirche, um über die Zukunft von Bockenheim zu diskutieren. Foto: Rolf Oeser

Über 200 Menschen kamen in die Jakobskirche, um über die Zukunft von Bockenheim zu diskutieren. Foto: Rolf Oeser

Zumeist Ältere, die dem Stadtteil seit langem verbunden sind, wollten wissen, was der Wandel auf dem Campusgelände mit sich bringt. Sie lauschten sieben Institutionen und Initiativen, die unter dem Dach der evangelischen Gemeinde erstmals gemeinsam auftraten und zum Abschluss eine „Bockenheimer Erklärung“ verteilten.

Andrea Krawinkel brachte für die beiden katholischen Kirchengemeinden auf den Punkt, was viele denken: „Ich finde es schön, wenn es kulturell wird, aber es darf nicht teuer werden.“ Denn Mietsteigerungen „in einem in Frankfurt nicht gekanntem Ausmaß“ brachte bereits der Mietspiegel im Jahr 2010, sagte Wiltrud Pietschmann von der Mieterinitiative im Stadtteilbüro. Ihre Vision ist ein „bunter vielfältiger Stadtteil, in dem Wohngenossenschaften stärker gefördert werden und auch Geringverdiener bleiben können“.

Hochkarätige Kunst kommt auf den Campus

Doch der geplante Kulturcampus auf dem ehemaligen Unigelände könnte weitere Mietsteigerungen zur Folge haben. Wenn herausragende Künstler wie das Ensemble Modern, die William Forsythe Company oder die Junge Deutsche Philharmonie auf den Campus ziehen, werde das das Image von Bockenheim prägen, Tourismus, Gastronomie und die Kreativwirtschaft anziehen und „den Stadtteil verändern“, wie der Präsident der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, Thomas Rietschel, sagte. Die Hochschule will ebenfalls auf den Campus kommen. Sie werde in Bockenheim 350 hochkarätige Konzerte im Jahr geben, viele davon kostenlos, andere für maximal sechs Euro Eintritt, und sie werde „1500 Menschen mitbringen, denen Kunst nahe ist, die Fragen nach Liebe, Trauer, Glück stellen und die gegen die Gentrifizierung des Stadtteiles sind“.

Gegen das Verdrängen der angestammten Bockenheimer Bevölkerung durch wohlhabendere neue Bewohner und Bewohnerinnen wendet sich auch die „Bockenheimer Erklärung“. Sie fordert, „auf dem Universitätsareal bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der in Bockenheim dringend benötigt wird“. Ursprünglich sah der 2004 erstellte Rahmenplan für das Campusgelände vor allem Büros und nur wenige Wohnungen vor, sagte Anette Mönich vom Stadtteilbüro Initiative Zukunft Bockenheim. Erst der Widerstand aus der Bevölkerung machte 2010 einen überarbeiteten Rahmenplan möglich, zog Planungswerkstätten, einen Konsensplan und schließlich 2012 einen Strukturplan des Stadtplanungsamtes nach sich. Dieser soll Grundlage eines Bebauungsplanentwurfs für das Unigelände werden. „Die städteplanerische Konstruktion 2012 ist besser als vorher, aber es bleiben viele Fragen offen“, so Mönich.

Innovative und soziale Projekte sollten gefördert werden

Die Bockenheimer Erklärung plädiert daher dafür, Bauland in öffentlicher Hand „nicht vorrangig“ für kommerziell genutzten Büroraum zu verwenden, innovative und soziale Wohnprojekte etwa im Philosophicum zu realisieren und das Studierendenhaus in ein selbstverwaltetes offenes Haus der Kulturen zu verwandeln. Die Erklärung steht unter www.zukunft-bockenheim.de im Internet und soll mit möglichst vielen Unterschriften versehen an die Stadt übergeben werden. „Wir wollen nicht nur gehört werden“,  sagt Martin Lommel von der Evangelischen Gemeinde Bockenheim, „sondern wir erwarten auch, unsere Vorstellungen in den politischen Entscheidungen wiederzufinden“.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 11. Juni 2013 in der Rubrik Stadtkirche, erschienen in der Ausgabe , .

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Susanne Schmidt-Lüer ist Redakteurin und schreibt vor allem über Sozialpolitik, Kirche, Alter und wirtschaftspolitische Themen.