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Von – 2. Juli 2013

Trauern funktioniert nicht nach Regeln

Die Frau hatte jahrzehntelang einen großen Garten zum Blühen gebracht. Seit ihr Mann tot ist, gibt es in ihrer Umgebung keine einzige Blüte mehr. Wer einen geliebten Menschen verliert, rutscht in einen seelischen Ausnahmezustand. Wie lange er dauert und wie er sich bemerkbar macht, ist ganz verschieden.

„Menschen trauern unterschiedlich“, sagt Trauerbegleiterin Magdalena Lucas. Sie hat die Frau in einer ihrer Gruppen kennengelernt. Wer trauert, muss eine neue Identität finden, muss nicht nur einen Menschen entbehren, sondern auch eine neue Rolle im Leben finden: Angehörige werden zu Hinterbliebenen, Ehefrauen zu Witwen, Kinder zu Waisen.

Im Rahmen ihrer Arbeit bei der Koordinationsstelle Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit im Evangelischen Regionalverband Frankfurt bietet Lucas in Eschersheim Trauergruppen an. Trauernde, weiß sie, durchlaufen zwar häufig Phasen, die sich ähneln, „doch Trauern funktioniert nicht nach festen Regeln“. Tage, Wochen oder sogar Monate könne es dauern, bis Menschen das Entsetzliche begreifen und akzeptieren können. „Die Seele kann nur kleine Schritte machen, und dazu gehört eben, dass ich die Realität nur portionsweise zulassen kann.“

Um den Schmerz des Verlusts anzunehmen und sich, vielleicht mit alten Fotos, erinnern zu können, braucht es wiederum Zeit. „Vielen Menschen, wenn auch nicht allen, kann es helfen, in eine Gruppe mit Gleichbetroffenen zu gehen“, sagt Magdalena Lucas. Denn Trauernde geben in der Regel anderen Trauernden keine Ratschläge. „Sie wissen aus Erfahrung, dass sie nicht hilfreich sind.“

Nachbarn, Bekannte und sogar Freundinnen wissen das oft nicht. „Ich höre immer wieder, dass Trauernden gesagt wird, manchmal schon wenige Monate nach dem Verlust: Was? Du trauerst immer noch?“ Viele könnten auch in einer Gruppe mit Fremden ihren Gefühlen besser freien Lauf lassen als in der Familie oder im Freundeskreis. „In ihrem gewohnten Umfeld fühlen sich Trauernde oft verpflichtet, stark zu sein.“

Wann tut es nicht mehr so weh? Diese Frage kann Magdalena Lucas nicht beantworten. Doch sie kann Anregungen geben. Wie die, sich Rituale zu schaffen und einfache Tätigkeiten vorzunehmen: „Am Anfang kann das ein kurzer Spaziergang jeden Tag sein, um aus dem Haus zu kommen.“

Der Frau, die nichts Grünes mehr pflanzen konnte, hat Magdalena Lucas geraten, sich einen ganz kleinen Topf mit Blumen zu kaufen und ihn in ihrer Nähe zu platzieren. Eine Weile dauerte es, dann erzählte die Frau in der Trauergruppe, sie habe statt einem gleich zwei Töpfe gekauft. Und noch einen Strauß Blumen dazu.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 2. Juli 2013 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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Anne Lemhöfer interessiert sich als Journalistin und Autorin vor allem für die Themen Kultur, Freizeit und Gesellschaft: www.annelemhoefer.de.