Bei den Tagen der Industriekultur erinnern die Kirchen an eine untergegangene Arbeitswelt. Zahlreiche frühere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzählten, wie es war – früher bei Neckermann.
Sie sind nicht mehr erleuchtet, schon lange nicht mehr. Die großen Fenster im Hauptgebäude der Neckermann-Zentrale an der Hanauer Landstraße wirken im Vorbeifahren seltsam leer. Wie es war, als auf dem riesigen Areal Güterwaggons und Container voller Waren ein- und ausfuhren, hunderte Beschäftigte im Akkord Pakete für den Versand packten und reklamierte Artikel zurücknahmen – daran erinnerte während der Tage der Industriekultur eine Veranstaltung der Kirchen in Frankfurt.
Es sind die Bilder von Hans-Dieter Fehrenz, die diese „Spuren eines untergegangenen Unternehmens“ wieder lesbar machen. Die Aufnahmen des einstigen Hausfotografen und Archivars wecken Erinnerungen bei ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zur Veranstaltung in die „Klassikstadt“ unweit ihres alten Firmengeländes gekommen sind. Ende September 2012 waren bei Neckermann die Lichter ausgegangen. Der Besitzer des Firmengeländes Segro hat es erst kürzlich an eine Investorengruppe verkauft.
Konsum für breite Teile der Bevölkerung
An diesem Nachmittag entsteht die einstige Neckermann-Welt wie in einem Kaleidoskop. Alte Kinowerbefilme zeigen Frauen in schicker Kleidung, die neidische Blicke auf sich ziehen, sie enden jeweils mit dem Slogan „Schreib an Neckermann, Abteilung A“. Konsum für breite Teile der Bevölkerung möglich zu machen – darin war Josef Neckermann ein Pionier, räumt selbst der Ex-Betriebsratsvorsitzende der Logistik, Thomas Schmidt, ein.
Couchgarnituren und Fernsehtruhen, Fertighäuser und Fernreisen: Neckermann hat alles möglich gemacht. Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme aus dem Jahr 1961 zeigt einen Laster, der „für Neckermann Europas größte elektronische Rechenanlage von IBM“ transportiert. Im neuen Rechenzentrum entstanden die ersten Frankfurter Großraumbüros. Hochmodern waren auch die Arbeitsplätze im 1960 eröffneten Firmengebäude von Egon Eiermann, das Neckermann nach Stationen an der Mainzer Landstraße und am Ostbahnhof bezog.
Eine andere Arbeits- und Unternehmenskultur
Damals herrschte eine andere Arbeits- und Unternehmenskultur erzählen ehemalige Beschäftigte, die sich spontan aus dem Publikum melden: „Josef Neckermann tat unheimlich viel für seine Mitarbeiter, er setzte Busse ein, die die Leute zur Arbeit und wieder nach Hause brachten“, sagt eine Frau, die 1965 im Unternehmen anfing. „Im Casino konnte man sehr gut und preiswert essen“, erinnert sich ein anderer.
Die Rückblicke sind nicht voller Zorn. Eher nachdenklich. Einer erinnert daran, wie Neckermann zur Zeit des Nationalsozialismus profitierte, indem Kaufhäuser für wenig Geld von ihren jüdischen Besitzern zu erwerben. Und Betriebsrat Thomas Schmidt erzählt vom Ende, von den verzweifelten Verhandlungen mit dem US-Investor Sun Capital, um wenigstens 800 der zuletzt knapp 2000 Arbeitsplätze zu retten. Die US-Amerikaner seien kompromisslos gewesen, „es war, als sei unser Gegenüber eine anonyme Kraft“.
Nur die jungen, gut Ausgebildeten haben eine neue Arbeit gefunden
2012 ging eine Welle der Solidarität mit den von Arbeitslosigkeit Bedrohten durch die Stadt, sagt der evangelische Pfarrer Gunter Volz. Auch die Kirchen engagierten sich beim Runden Tisch zur Zukunft der Entlassenen. Viele der gut ausgebildeten jüngeren Neckermann-Beschäftigten hätten heute wieder einen Job. Die Älteren, Ungelernten jedoch eher nicht.