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Von – 17. September 2013

Anpassung an die Wirklichkeit

Selten wurde eine kirchliche Stellungnahme so kritisiert, aber auch so wohlwollend zur Kenntnis genommen wie die neue „Orientierungshilfe Familie“ der evangelischen Kirche.

Sie waren das erste gleichgeschlechtliche Paar, dessen Partnerschaft offiziell in die Kirchenbücher eingetragen wurde: Christoph (links) und Rüdiger Zimmermann im Reiskorn-Regen nach ihrem Segnungsgottesdienst in Seligenstadt-Mainhausen im August. Ob die Zeremonie auch „Trauung“ genannt werden darf, wie die Eheschließung zwischen einem Mann und einer Frau, ist in der hessen-nassauischen Kirche noch umstritten. Foto: Thomas Hanel/epd-Bild

Sie waren das erste gleichgeschlechtliche Paar, dessen Partnerschaft offiziell in die Kirchenbücher eingetragen wurde: Christoph (links) und Rüdiger Zimmermann im Reiskorn-Regen nach ihrem Segnungsgottesdienst in Seligenstadt-Mainhausen im August. Ob die Zeremonie auch „Trauung“ genannt werden darf, wie die Eheschließung zwischen einem Mann und einer Frau, ist in der hessen-nassauischen Kirche noch umstritten. Foto: Thomas Hanel/epd-Bild

Schon lange entspricht das idealisierte Familienbild „Mutter, Vater, Kind“ nicht mehr der Wirklichkeit. Patchworkfamilien sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und alleinerziehende Mütter werden nicht mehr stigmatisiert: Lebensformen sind eben vielfältig. Allerdings tun sich einige mit diesem Wandel noch schwer, vor allem mit homosexuellen Partnerschaften und Kindern, die dort aufwachsen.

Der stärkste Vorwurf gegen die neue „Orientierungshilfe Familie“ der Evangelischen Kirche in Deutschland ist der der „Beliebigkeit“: Die Kirche sage nicht mehr klar, wo es lang gehe, sondern alles sei jetzt offenbar möglich.

Kirchenpräsident Volker Jung hat diesen Vorwurf zurückgewiesen. Es sei eine Engführung, die biblische Setzung der Ehe zwischen Mann und Frau ausschließlich „biologistisch“ zu verstehen. Es komme beim christlichen Familienbild darauf an, dass Menschen grundlegend aufeinander angewiesen sind, und dass sie ihre Beziehungen dauerhaft und werteorientiert leben. Menschen hätten verschiedene sexuelle Veranlagungen und sollten sich für ihre Lebensform frei entscheiden können.

Die „normale“ Kleinfamilie war ohnehin in der Geschichte fast nie vorherrschende Realität. Vor der Industrialisierung waren Ehe und Familie vor allem Mittel zum Zweck: Geheiratet wurde nicht aus Liebe, sondern im Hinblick auf die Kinder, also um – je nach Schicht – Vermögen oder zumindest den Namen zu vererben, und im Falle von Krankheit und Alter versorgt zu sein. Auch die Erwerbstätigkeit von Müttern war für die allermeisten Familien oft eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Lediglich das Bürgertum konnte sich die nicht-erwerbstätige „Hausfrau“ leisten.

Für die breite Bevölkerung realisiert wurde das Ideal nur für etwa zwei Jahrzehnte: In den 1960er und 70er Jahren war die Erwerbstätigkeit von Müttern in Deutschland tatsächlich sehr gering. Doch historisch gesehen war das ein kurzes Zwischenspiel.

Deshalb ist es nur konsequent, wenn sich das evangelische Verständnis von Ehe und Familie nicht auf diese eine Familienform festlegt. Und ein Punkt dabei ist, die kirchliche Hochzeit von gleichgeschlechtlichen Paaren zu ermöglichen. Sicher ist das für manche vielleicht gewöhnungsbedürftig, doch genau wie die Orientierungshilfe insgesamt ist es nur eine notwendige Anpassung an die Lebenswirklichkeit. Theologisch steht dem nach protestantischer Auffassung nichts im Wege.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 17. September 2013 in der Rubrik Ethik, Gott & Glauben, erschienen in der Ausgabe .

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Kurt-Helmuth Eimuth ist Mitglied in der Redaktion von "Evangelisches Frankfurt". Mehr über den Publizisten und Erziehungswissenschaftler ist auf www.eimuth.de zu erfahren.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Jutta Scholz schrieb am 7. Oktober 2013

    Die korrekte Überschrift wäre bei diesem Beitrag wohl eher: „Anpassung an den Zeitgeist“. Evangelische Christen hatten von einer Orientierungshilfe ihrer Kirche eine Unterstützung der Institution Ehe erwartet. Der Schlusssatz „theologische steht dem (gemeint ist die kirchliche Hochzeit gleichgeschlechtlicher Paare) nach protestantischer Auffassung nichts im Wege“ offenbart die Problematik. Es geht nämlich in dem Artikel in keinster Weise eine an der Bibel orientierte (Luther: sola scriptura!) Argumentation für diese steile Aussage voraus. Die ersten Christen haben sich gerade nicht der „Lebenswirklichkeit“ in ihrem Umfeld angepasst! Homosexuelle Praktiken gab es im griechisch geprägten Umfeld und sie wurden eindeutig verurteilt: Röm. 1.24-32, 1. Kor. 6.9 (dazu aus dem AT 3. Mose 18.22, 24-30; 3. Mose 20.13). Nach dem Evangelium leben kann doch nicht heißen, sich der Umwelt, dem Zeitgeist anpassen! Die christliche Familienordnung ist von Gott eingesetzt (Eph. 5.30 ff); am Einssein von Mann und Frau in der Ehe ist die geistliche Einheit von Christus mit seiner Gemeinde ablesbar! Eine Ethik, wie sie in der Familien-Orientierungshilfe der EKD dargestellt wird, dient lediglich zur Bestätigung menschlicher Wünsche. Das ist verständlich, nachvollziehbar, aber nach der Bibel, der Basis des christlichen Glaubens, eindeutig nicht Gottes Wille. Wie die Kirche mit anderen Lebensformen umgeht, ist ein anderes Thema und bedarf der Diskussion, aber Ehe ist nach christlichem Verständnis nicht nur ein rechtlicher Vertragsabschluss, sondern Institution, die ich gerne durch die EKD gestärkt sähe!