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Von – 28. April 2014

Der Notfall-Knigge

Bei einer Katastrophe helfen Feuerwehr, Ärzte, Sanitäterinnen. Wichtig für Betroffene ist auch, wie Freunde und Bekannte reagieren. Was kann man tun?

Wenn jemand anderes eine Hiobsnachricht erhält, ist man oft überfordert, auch wenn man nicht direkt betroffen ist. Wer sich ratlos fühlt, ist auf der richtigen Spur. Die beste Hilfe ist einfach. Aber das Einfache zu tun, ist oft schwer. Der für mich überzeugendste Notfallknigge findet sich im biblischen Buch Hiob.

„Worte zurückhalten – wer kann’s?“

Hiob verliert seine Söhne und Töchter. Sein Besitz geht kaputt. Und er wird mit Geschwüren überzogen. „Warum bin ich nicht gestorben bei meiner Geburt?“, fragt er. Geblieben sind seine Freunde. Sie kommen, „um ihn zu beklagen und zu trösten.“ Lange schweigen sie, dann fängt einer an: „Du hast’s vielleicht nicht gern, wenn man versucht, mit dir zu reden; aber Worte zurückhalten, wer kann’s?“

Foto: Georg Magirius

Foto: Georg Magirius

Hiob will schweigen, die Freunde wollen nach Gründen für das Unglück suchen. „Wo ist ein Unschuldiger umgekommen? Oder wo wurden die Gerechten je vertilgt?“ Damit meinen die Freunde: Hiob, öffne dich, du hast da ein Problem – ansonsten wärst du gefasster und würdest dich nach und nach ins Unglück fügen. Hiob wehrt sich gegen die Überzahl der Tröster: Nicht er, Gott sei schuld: „Er bringt den Frommen um wie den Gottlosen.“

Die Freunde reden, als ob sie Fleisch gewordene Andachtsbüchlein seien: „Wenn aber du dein Herz auf ihn richtest und deine Hände zu ihm ausbreitest, wenn du den Frevel in deiner Hand von dir wegtust, dass in deiner Hütte kein Unrecht bliebe: so könntest du dein Antlitz aufheben ohne Tadel und würdest fest sein und dich nicht fürchten.“ Das ist zu Schmalz gewordene Frömmigkeit. Hiob könnte jetzt gnädig schweigen oder fliehen, tut aber keins von beidem.

Einfach zuhören

Ans Krankenbett gefesselt, kann er den Seelsorgern nicht entkommen. Sie säuseln: Wenn du deine Dunkelheiten in dir löst, löst sich alles an­de­re. Hiob schreit: „Ich habe das schon oft gehört. Ihr seid allzumal leidige Tröster!“ Schwei­gende Freunde hätten helfen können. Das ist die angemessene Reaktion, die einfach ist und dennoch eine Kunst. Wer helfen will, muss nämlich damit leben lernen, seine Ohnmacht auszuhalten. Hiob fleht seine Freunde leider vergeblich an: „Hört doch meiner Rede zu und lasst mir das eure Tröstung sein!“

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 28. April 2014 in der Rubrik Lebenslagen, erschienen in der Ausgabe .

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Georg Magirius ist Theologe und Schriftsteller und Kolumnist bei "Evangelisches Frankfurt". Mehr unter www.georgmagirius.de.