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Von – 30. April 2014

„Was politisch gewollt ist, ist auch bezahlbar“

Mit einem Gottesdienst zum Thema „Durch Arbeit krank?“ haben die Frankfurter Kirchen den Tag der Arbeit am 1. Mai eingeleitet. Mit deutlichen Worten kritisierte Klinikseelsorger Bruno Pockrandt in seiner Predigt die teilweise unhaltbaren Arbeitsbedingungen in vielen prekären und schlecht bezahlten Berufen.

Kritik an belastenden Arbeitsstrukturen: Stadtdekan Johannes zu Eltz, Dekanin Ursula Schoen und Klinikseelsorger Bruno Pockrandt (von links) gestalteten den Gottesdienst am Vortag des 1. Mai in der Alten Nikolaikirche. Foto: Antje Schrupp

Kritik an belastenden Arbeitsstrukturen: Stadtdekan Johannes zu Eltz, Dekanin Ursula Schoen und Klinikseelsorger Bruno Pockrandt (von links) gestalteten den Gottesdienst am Vortag des 1. Mai in der Alten Nikolaikirche. Foto: Antje Schrupp

Besonders in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen würden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die anfangs „Feuer und Flamme für ihren Beruf“ seien, mit der Zeit zermürbt, sagte Pockrandt. Aber auch in Familien würden viele Pflegende durch die hohe Belastung irgendwann selbst krank.

Menschliche Bedürfnisse ins Zentrum stellen

Im Zentrum einer menschenwürdigen Arbeitsorganisation müssten immer die Bedürfnisse der Menschen stehen, und vor allem die der Bedürftigen. Man könne den Bereich der Pflegearbeit nicht „nach den Mustern der industriellen Produktion“ organisieren.

Pockrandt warnte auch davor, als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter zu versuchen, „offizielle Systemfehler“ am eigenen Arbeitsplatz durch mehr persönliches Engagement auszugleichen. Ratschläge an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sie sollten die Gefahr eines Burnouts durch mehr persönliche „Work-Life-Balance“ oder Entschleunigungstechniken abmildern, seien ebenfalls problematisch, weil sie Gefahr laufen, die Schuld bei den Betroffenen selbst zu suchen.

Was politisch gewollt ist, ist auch bezahlbar

Einwände, dass bessere Arbeitsbedingungen nicht bezahlbar seien, wies Pockrandt zurück und führte als Beispiel das Bistum Limburg an, dessen Bischof wegen ungeklärter hoher Bauausgaben zurücktreten musste. Hier habe sich „in peinlicher Weise gezeigt, dass immer Geld da ist“ – die Frage sei nur, „wofür und wofür nicht“. Er sei überzeugt: „Was politisch gewollt ist, ist auch bezahlbar.“

Kirchliche Einrichtungen und Arbeitgeber forderte Pockrandt auf, mit gutem Beispiel voran zu gehen. Sie müssten unter Einbeziehung der Betroffenen an einer Verbesserung des Arbeitsumfeldes arbeiten und dürften Defizite nicht einfach auf externe Faktoren wie etwa Marktmechanismen schieben.

Spontaner Applaus für die Predigt

Für seine Predigt bekam Pockrandt spontanen Applaus von den Gottesdienstteilnehmerinnen und –teilnehmern in der vollbesetzten Alten Nikolaikirche am Römerberg.

Die Liturgie des Gottesdienstes leiteten Dekanin Ursula Schoen und Stadtdekan Johannes zu Eltz.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 30. April 2014 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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Dr. Antje Schrupp ist geschäftsführende Redakteurin von Evangelisches Frankfurt. Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin bloggt auch unter www.antjeschrupp.com.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Peter Niebling schrieb am 25. Mai 2014

    Viele leiden unter Burnout.
    Als Ursache sind in diesem Beitrag die hohen Belastungen durch unangemessene Arbeitsstrukturen bzw. Systemfehler ausgemacht. Es ist zwar auch der Ausgleichsversuch durch mehr persönliches Angagement angesprochen, aber wegen der Möglichkeit, das Burnout als selbst verschuldet zu sehen, fällt den Arbeitsstrukturen als Ursache hier mehr Gewicht zu. Es stellt sich die Frage, welche der zwei Verursacher wirklich gewichtiger ist, und welche Ursache leichter zu beheben ist. Gewiss, die Vorstellung eines Eingriffes in das eigene persönliche System, kann viele Ängste und eine massive Abwehr auslösen, ist aber bezüglich einer Heilung, unverzichtbar. Denn, Menschen mit einem Burnout tanken den falschen Sprit. Im Einvernehmen und gleichzeitig in Gegnerschaft zur Allgemeinheit zum Beispiel, also ganz Systemimmanent, richten sie ihr Handeln auf Annerkennung bzw. auf Richtigsein aus. Ein Fass ohne Boden! Die benötigte, nährende und heilende Achtung für ihre pure Existenz, bleibt aus. Oder sie kann vor lauter Anstrengung nicht wahrgenommen werden.