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Von – 28. Mai 2014

„Saft- und kraftlos“: Debatte über das Sozialwort der Kirchen

Von der neuen ökumenischen Sozialinitiative sind viele enttäuscht. Kitische Anfragen dazu wurden bei einem Podium in der Frankfurter Matthäuskirche diskutiert.

Sozialwort

Ob die Kirchen an Selbstbewusstsein verloren hätten, fragte Moderatorin Britta Baas auf einer Podiumsdiskussion über das neue Sozialwort der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) in der Matthäuskirche. Denn sonst sei es unverständlich,  dass das Wort der Kirchen, das im Februar diesen Jahres unter dem Titel „Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft“ veröffentlicht wurde, so saft- und kraftlos ausgefallen sei und so nah an den Positionen der Großen Koalition, so die Journalistin von Publik-Forum.

Auf der Veranstaltung sollten kritische Fragen formuliert werden, die in den Rezeptionsprozess des neuen Wortes zur sozialen und wirtschaftlichen Lage eingehen werden – zunächst auf einem großen Kongress am 18. Juni in Berlin.

Kein breiter Konsultationsprozess diesmal

Sowohl auf dem Podium als auch im Publikum wurde die Form der Entstehung des Papiers kritisiert. Im Gegensatz zum letzten, 1997 veröffentlichten Sozialwort „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“, hat dieses Mal nicht vorab ein breit angelegter Konsultationsprozess bei der Basis stattgefunden, sondern Vertreter und Vertreterinnen der Kirchen haben das Papier formuliert und es soll nun breit rezipiert und diskutiert werden. „Das sorgt innerkirchlich für Ärger und nach außen verliert das Wort an Stoßkraft“, fasste Baas die Kritik zusammen.

Peter Schallenberg von der katholischen sozialwissenschaftlichen Zentralstelle, der an der Entstehung des neuen Sozialwortes mitgewirkt hat, sagte, das Vorgehen von 1997 sei „schwer zu wiederholen“. Auch Frank Schöller, der auf dem Podium für die EKD sprach, verteidigte den Rezeptionsprozess, da sich im Zeitalter von Twitter neue Nachrichten rasend schnell verbreiteten.

„Elitedialog auf dem Rücken der Basis“

Schallenberg sagte, er halte die Kirchen keineswegs für schwach und wenig selbstbewusst. Im Gegenteil: In keinem anderen europäischen Land werde so auf sie gehört wie in Deutschland. Das neue Wort sei aber wohl mehr ein Wirtschafts- als ein Sozialwort. Er verstehe es als „Politikberatung nach der Finanzkrise“.

Darauf antwortete Bernhard Emunds vom Frankfurter Nell-Breuning-Institut, so etwas sei ein „Elitedialog auf dem Rücken der Basis“. Er kritisierte, dass das neue Wort kein ethisch-theologisches Fundament formuliere. Außerdem sei es sehr fragwürdig, wirtschaftliche Probleme immer noch alleine mit mehr Wachstum lösen zu wollen. Auch der Ausgleich zwischen finanzstarken und -schwachen Ländern in Europa werde nicht angesprochen. Ebensowenig wie die Verteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit vor dem Hintergrund, dass immer mehr Frauen arbeiteten.

Diakonie: Perspektive der Armen fehlt

Alexander Dietz von der Diakonie Hessen sagte, er vermisse die Perspektive der Armen: „Warum hat niemand gesagt, Hartz IV ist eine Schweinerei, denn das führt in die Armut? Warum kommen Altersarmut und Menschen, die von Niedriglohn leben müssen, nicht vor? Warum wird ihre Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit nicht beschrieben?“

Auch aus dem Publikum kamen Fragen: Wie betrifft die Lage in Deutschland Frauen? Wie betrifft sie Männer? Warum wird im Sozialwort nicht thematisiert, dass der Druck auf normale Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen immer weiter wächst? Warum fehlt auch im Ton die Empathie gegenüber Arbeitslosen und Geringverdienenden? Warum geht es nicht mehr um die Regulierung der Finanzmärkte?

Kleinster gemeinsamer Nenner der Konfessionen

Schallenberg  machte deutlich, dass das Papier das „Maximum an Konsens“ zwischen beiden Kirchen darstelle. In der Frage der Bioethik, der Sexualethik, Ehe und Familie gebe es keine Übereinstimmung zwischen katholischer und evangelischer Kirche. Auch Schöller sagte, wenn beide Kirchen getrennt diskutieren würden, würden sicher noch andere Forderungen laut.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 28. Mai 2014 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".