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Von – 23. Juni 2014

Salafisten: Plumpe Heilsversprechen ködern Jugendliche

Das gewalttätige Auftreten junger Männer in Frankfurt, die sich als „Salafisten“ bezeichnen, hat viele erschreckt. Was steckt hinter diesem Phänomen – und was lässt sich dagegen unternehmen?

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Der bekannteste Salafistenprediger in Deutschland ist Pierre Vogel – hier bei einer Kundgebung vor einigen Monaten auf dem Roßmarkt. Vogel war evangelisch getauft und konfirmiert und hatte eine katholische Schule besucht, bevor er 2001 im Alter von 22 Jahren zum Islam konvertierte. Foto: Thomas Lohnes/epd-Bild

Junge Menschen suchen Orientierung. Das ist in einer pluralen Gesellschaft nicht einfach. Junge Muslime etwa sind einerseits hier aufgewachsen und sich zugehörig, andererseits werden sie aber oft wegen ihres Namens oder weil sie ein Kopftuch tragen ausgegrenzt. Viele werden in der Schule nicht gefördert, haben oft keinen Zugang zu höherer Bildung und, wie Studien belegen, Nachteile auf dem Arbeitsmarkt.

„Wer sich hier nicht beheimatet fühlt und immer wieder Ausgrenzungserfahrungen macht, wird dahin gehen, wo man ihm Heimat und Zugehörigkeitsgefühl gibt“, schrieb der Frankfurter Rat der Religionen schon vergangenen September in einem Positionspapier. Zwar gebietet der Islam „Respekt vor den Wertvorstellungen des Anderen“, wie es in einer Pressemittelung des Deutsch-Islamischen Vereinsverbandes heißt, aber bei ihrer Suche nach Orientierung findet man auch viele Webseiten, die im Namen des Islam eindimensionale Weltbilder vertreten und Heilsversprechen geben. Im Einzelfall können sie große Verführungskraft haben. Auch auf Schulhöfen werben diese so genannten „Salafisten“ um Jugendliche.

Im Mai bedrohten junge Männer, die sich selbst als salafistisch bezeichneten, in einem Jugendhaus der AWO im Gallus eine Sozialarbeiterin wegen angeblich unzüchtiger Kleidung. Das Haus wurde daraufhin geschlossen. Nachdem das Team geschult und am Eingang eine Kamera installiert worden ist, ist es das im Juni wieder geöffnet worden. „Die Schließung war eine verständliche Schockreaktion, aber das falsche Signal“, sagt Ilona Klemens, Pfarrerin für interreligiösen Dialog in Frankfurt und Geschäftsführerin im Rat der Religionen. „So können radikalisierte Jugendliche das Gefühl bekommen, sie könnten die Gesellschaft unter Druck setzen.“

Der Begriff „al-salaf al-salih“ bezeichnet eigentlich die „frommen Altvorderen“, erläutert der Islamwissenschaftler Muhammad Sameer Murtaza in einem Artikel. Gemeint seien damit die ersten drei Generationen der Muslime, also die Frühgemeinde, aus der sich der Islam entwickelt habe. Sie sei folglich eine wichtige Instanz, wenn es um die Botschaft des Propheten Muhammad geht, und der Begriff sei also für Muslime zwingend positiv konnotiert.“ Unter dem Begriff „Salafiyya“ habe sich dann im 18. Jahrhundert eine Reformbewegung gegründet, die den Islam aus der Rückbesinnung auf die frommen Altvorderen erneuern wollte. Leider habe sich aber eine historisch-kritische Strömung nicht durchsetzen können, sondern durch wortwörtliche Auslegung des Korans und eine Verklärung der Frühzeit sei eine neue Rückwärtsgewandtheit eingetreten.

Gewaltbereit seien Salafisten aber – anders als sie so genannten „Wahabisten“, die alle anderen Muslime als „ungläubig“ bezeichnen – bislang eigentlich nicht.  „Die Salafiyya war über Jahrhunderte kein Problem“, sagt Abdassamad El Yazidi, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Hessen. Er plädiert dafür, dass die deutsche Gesellschaft auch konservativ-fromme Muslime tolerieren solle, auch wenn sie ihr fremd erscheinen mögen. Das Problem sei doch, dass Religion sich heute überall auf der Welt radikalisiere: „Wir als Mehrheitsgesellschaft müssen deutlich machen, dass wir radikale Gedanken nicht dulden.“

In Übereinstimmung mit dem Rat der Religionen unterstreicht El Yazidi auch, dass Moscheenvereine und -gemeinden dringend finanzielle und personelle Unterstützung für ihre Jugendarbeit bräuchten. In einer Stellungnahme zu den aktuellen Vorfällen formuliert der Rat der Religionen: „Insbesondere die muslimischen Vertreter im Rat möchten darauf hinwirken, dass die Moscheegemeinden als Partner gegen den Extremismus, deutlicher als bisher ernst und entsprechend in Anspruch genommen und einbezogen werden.“ Das gelte auch, so El Yazidi, für Gespräche zu einem geplanten Präventionsnetzwerk des hessischen Innenministeriums, das junge Muslime Beratung und Aussteigerprogrammen vor der Radikalisierung schützen will.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 23. Juni 2014 in der Rubrik Ethik, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".

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