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Von – 3. Juni 2014

Störimpulse für Veränderung

Wolfgang Nethöfel ist ein unermüdlicher Motor und Ideengeber in der Frankfurter evangelischen Kirche. Der Theologe und Sozialethiker plädiert dafür, sich kreativ und realistisch mit möglichen Zukunftsoptionen zu beschäftigen.

„Wir müssen über eine Zukunft jenseits der vollfinanzierten Volkskirche nachdenken“, sagt Wolfgang Nethöfel. Foto: Juliane Kutter

„Wir müssen über eine Zukunft jenseits der vollfinanzierten Volkskirche nachdenken“, sagt Wolfgang Nethöfel. Foto: Juliane Kutter

„Bei komplexen Systemen wie der Kirche muss man Störimpulse setzen, damit sich etwas verändert“, sagt Professor Wolfgang Nethöfel. Ein Beispiel: „Natürlich wünsche auch ich mir, dass die Kirchensteuer noch lange erhalten bleibt. Aber wir müssen über eine Zukunft jenseits der voll finanzierten Volkskirche nachdenken, solange es uns noch gut geht.“ Vorbilder sind nach Ansicht des emeritierten Sozialethikers die skandinavischen Länder, in denen seit dreißig Jahren ein Umbau stattfinde.

Seine „intellektuelle Neugier“ sei schon als Schüler groß gewesen, erzählt Nethöfel, der 1946 in Oberhausen geboren wurde. Er studierte Theologie und wurde nach seiner Promotion 1990 Professor für Systematische Theologie in Kiel. Außerdem ist er Gestalttherapeut, Mediator und Mediationsausbilder. Kurz nach der Wende gründete Nethöfel sein erstes Institut für Wirtschafts- und Sozialethik in Rostock. „Die typisch deutsche Trennung zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften ist überholt und für die Theologie verhängnisvoll“, sagt er. „Mir geht es darum, Theorie für die Praxis zu machen. Ich will theologische Ethik in organisatorischen, ökonomischen und technologischen Innovationsprozessen fruchtbar machen.“

Von 1993 bis 2011 war Nethöfel Professor für Sozialethik an der Uni Marburg, deren wirtschaftsethisches Institut er heute noch leitet. Es berät kirchliche und diakonische Einrichtungen, bietet eine studienbegleitende Mediationsausbildung an und betreut im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland das Arbeitsplatz-Siegel „Arbeit-Plus“.

1997 zog Nethöfel nach Frankfurt, seit 1998 ist er im Vorstand der heutigen Hoffnungsgemeinde. Er hat an dem Kompromiss mitgewirkt, die Matthäuskirche in der Friedrich-Ebert-Anlage zwar zu verkaufen, einem Investor aber die Auflage zu machen, die Kirche zu erhalten, wenn er dahinter ein Hochhaus baut. Der Kirchenvorstand denkt jetzt mit dem Evangelischen Regionalverband über ein Betreibermodell nach.

„Die Matthäuskirche soll Gemeindekirche bleiben, aber auch darüber hinaus genutzt werden“, erklärt Nethöfel. „An diesem besonderen Ort zwischen Hochhäusern und in Messenähe wollen wir einen in die Zukunft weisenden Dialog zwischen Kirche und Wirtschaft, zwischen Kultur und Gesellschaft schaffen, der überregional wahrgenommen wird.“

Stolz ist er auch auf die „Werkstatt Bahnhofsviertel“, die er seit ihrem Entstehen 2001 moderiert. Keine leichte Aufgabe, denn einmal im Monat treffen sich dort Vertreterinnen und Vertreter der sehr unterschiedlichen Gruppierungen, die im Bahnhofsviertel arbeiten und leben: Drogenberater und Stadtteilpolizistin, Hausbesitzerin und Mieter, Sprecherinnen der Prostituierten und Bahnhofsmission, Sozialarbeiter, Beauftragte städtischer Ämter und Mitglieder des Gewerbeverbandes. „Und dann fordert ein Mitglied der muslimischen Gemeinde, dass es beim Straßenfest doch bitte wieder ein interreligiöses Friedensgebet geben soll“, erzählt Nethöfel. „Die Werkstatt ist ein Paradebeispiel für Comunity-Bildung, ein Zukunftsmodell.“

Für sein ehrenamtliches Engagement in der Frankfurter Kirche hat Nethöfel Ende 2013 die Philipp-Jakob-Spener-Medaille bekommen. Doch manchmal müsse er auch dringend in „Schreiburlaub“ abtauchen, wie er sagt. Sonst werde sein neues Buch nicht fertig.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 3. Juni 2014 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe , .

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Stephanie von Selchow ist Redakteurin von "Evangelisches Frankfurt".