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Von – 24. Juli 2014

Irmgard Schwaetzer über Christin-Sein und politisches Engagement

Flüchtlingspolitik, Wirtschaft und Geschlechtergerechtigkeit: Die FDP-Politikerin und Kirchenfrau Irmgard Schwaetzer stellt sich den Fragen Frankfurter Schülerinnen und Schüler.

Diskussion mit Irmgard Schwaetzer in der Evangelischen Akademie. Foto: Rolf Oeser

Diskussion mit Irmgard Schwaetzer in der Evangelischen Akademie. Foto: Rolf Oeser

Politik kommt als berufliches Bestätigungsfeld für Sebastian Klimek „auf keinen Fall in Frage“. Lieber möchte er „etwas mit den Händen tun“ und nach dem Abitur Elektrotechnik studieren. Mit ihrer Vorliebe für Jura oder Mathematik zieht es auch Julia Pietrzyk an die Universität. Allerdings würde sie „nicht Nein sagen, wenn sich später die Gelegenheit ergibt, in die Politik zu gehen“, auch wegen „guten Rente“.

Die Alterssicherung hatte Irmgard Schwaetzer bei ihrer ersten Bundestagskandidatur hingegen weniger im Sinn. Das und einiges mehr konnten die beiden Jugendlichen aus der zwölften Klasse der Elisabethenschule beim Interview mit der promovierten Pharmazeutin in der Evangelischen Akademie Frankfurt herausfinden. Schwaetzers Eintritt in die FDP war damals eher der „Suche nach einem Hobby“ geschuldet war. Erst durch eine Verkettung von Umständen geriet sie dann auf das politische Profiparkett: Zuerst war Schwaetzer Staatsministerin im Auswärtigen Amt, danach Bundesministerin für Städtebau, schließlich gehörte sie rund zwei Jahrzehnte lang dem Deutschen Bundestag an. Seit vorigem Jahr ist Schwaetzer Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Warum gehen Christinnen in die Politik?

Foto: Rolf Oeser

Foto: Rolf Oeser

Ihre Fragen hatten die Frankfurter Schülerinnen und Schülern im Rahmen eines gemeinsamen Projekts im evangelischen und katholischen Religionsunterricht. Organisiert hatte das die Evangelische Akademie zusammen mit der Friedrich-Naumann-Stiftung der Karl-Hermann-Flach-Stiftung. Dabei kristallisierten sich thematische Schwerpunkte heraus: Neben dem Einblick in Schwaetzers Werdegang ging es bei der Talk-Runde unter der Überschrift „Um Himmels Willen Politik?! – Warum (Christen-)Menschen Politiker/innen werden“ auch um die Vereinbarkeit von Glaube und Politik.

Diese beiden Welten in Einklang zu bringen, habe ihr nie Probleme bereitet, sagte die 74-Jährige. Sie habe zwar „nicht vor jeder politischen Entscheidung die Bergpredigt in die Hand genommen“. Dennoch beeinflusse der Glaube bis heute täglich ihr Handeln, wie Schwaetzer betonte, bei praktisch-konkreten Angelegenheiten weniger, bei Gewissensfragen aber umso mehr.

Misstrauen gegen Freihandelsabkommen

Die derzeitige Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zum Beispiel könnte sie „als Christin nie vertreten“, stellte Schwaetzer klar. Als überzeugte Protestantin sehe sie sich „immer auf Seiten der Schwachen“. Eine Einstellung, die Louis Lins ziemlich überraschte. Bei Menschen, die ein FDP-Parteibuch in der Tasche tragen, hätte der Elisabethenschüler eher eine große Nähe zu den Starken und Mächtigen vermutet. Erstaunen rief denn auch Schwaetzers „extremes Misstrauen gegenüber dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP“ hervor. Im Gespräch mit den mehrheitlich 17-jährigen Mädchen und Jungen äußerte sie ihre Befürchtung, dass es „auf Kosten der ohnehin wenig entwickelten Länder gehen wird“.

Dass die Schülerinnen und Schüler bei den in eigener Regie erarbeiteten Fragen großes Gewicht auf die ethischen Herausforderungen der Gegenwart legten, freut die katholische Religionslehrerin Ina Maria Simon und ihren evangelischen Kollegen Martin Leonhardt. Auch wenn sie bei den Jugendlichen ein recht unterschiedlich ausgeprägtes Interesse an Politik registrieren, würden manche Themen doch bei allen Aufmerksamkeit wecken.

Aktiv gegen den „Gender-Gap“

So wollten die Jugendlichen vor dem Hintergrund des Vormarschs der Isis-Dschihadisten im Irak mehr über Schwaetzers Meinung zum Verhältnis von Religion und Staat und zur Bedeutung des interreligiösen Dialoges wissen. Die Ex-Politikerin befürwortet die hierzulande gängige Praxis, „dass der Staat die Religionsgemeinschaften fördert, sich aber nicht einmischt in deren Belange“. Die Verständigung zwischen den Religionen stuft sie als wichtige Aufgabe ein. Glücklicherweise seien die Zeiten des christlichen Absolutheitsanspruchs vorbei.

Als Christin und Liberale liegt Schwaetzer zudem ein Missstand am Herzen, den sie seit den Anfängen ihrer politischen Karriere auszuräumen versucht: der Graben zwischen den Geschlechtern. Ob in der Wirtschaft oder in kirchlichen Zusammenhängen – in den vergangenen dreißig Jahren habe sie stets die Erfahrung gemacht: „Männer vergeben die Jobs an Männer“. Die evangelische Kirche habe zwar bereits vor einem Vierteljahrhundert beschlossen, den so genannten „Gender-Gap“ zu beseitigen. Das sei aber bislang überwiegend nur auf den unteren Ebenen geschehen. Während man auf den Pfarrstellen mittlerweile sechzig Prozent Frauen finde, dünne sich deren Anteil auf den höheren Ebenen inzwischen sogar wieder aus. In den zwanzig Landeskirchen gebe es derzeit gerade mal zwei Bischöfinnen.

Artikelinformationen

Beitrag von , veröffentlicht am 24. Juli 2014 in der Rubrik Menschen, erschienen in der Ausgabe , .

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